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Falklandkrieg Falklandkrieg: Die Narben schmerzen noch immer

Von Michael Warren 02.04.2012, 11:38

Stanley/dapd. - Die Besetzung der entlegenenInselgruppe im südlichen Atlantik durch argentinische Truppendauerte zwar nur 74 Tage, doch der Konflikt verursachte nicht nurein Trauma bei den Angehörigen der 907 Menschen, die damals ihrLeben ließen.

Die Insulaner leben immer noch inmitten von Landminen, die dieArgentinier legten. Nur leichtfüßige Pinguine können denwunderschönen weißen Sandstrand vor der Stadt Stanley betreten, wodie Truppen am 2. April 1982 landeten. Die Bewohner von «LasMalvinas», wie die Argentinier die Falklandinseln nennen, haben nachwie vor das Gefühl, sich vor ihrem lateinamerikanischen Nachbarnschützen zu müssen: Es gibt eine beachtliche Garnison sowieKriegsschiffe und Atom-U-Boote, die vor der Küste patrouillieren.

Bei jedem ankommenden Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff fragen sichbesorgte Insulaner, ob vielleicht Argentinier an Bord sind, dieÄrger machen wollen. Jeden Tag wappnen sich die Bewohner derFalklandinseln gegen neue Hiobsbotschaften, dass die argentinischeRegierung einen weiteren Vorstoß unternommen hat, sie wirtschaftlichund diplomatisch zu isolieren, um Großbritannien zu zwingen, dieHoheit über die Inselgruppe abzugeben.

Am Sonntag wurde mit einem Marsch der «Falkland Islands DefenceForce», die sich aus Bewohnern der Inseln zusammensetzt und imErnstfall die britischen Streitkräfte unterstützen soll, derInvasion gedacht. In Argentinien wurde indes eine Mahnwache an einemDenkmal der Kriegsopfer in Ushuaia, der südlichsten Stadt desLandes, abgehalten. Präsidentin Cristina Fernández wurde am Montagdort erwartet, auch waren landesweite Kundgebungen zu Ehren der alsHelden gefeierten Veteranen geplant.

Zwtl: «Wie gestern»

«30 Jahre ist zwar einerseits eine lange Zeit, andererseits istes wie gestern. Sobald Drohungen ausgesprochen werden, kommt alleswieder zurück. Es macht die Menschen nervös, bringt sie an ihreGrenzen», sagt Tony Smith, ein Insulaner, der Führungen macht unddie sich verhärtenden Fronten auf beiden Seiten bedauert. «Wirglauben nicht, dass sie Militär einsetzen werden, doch die anderenDinge, die sie tun, sind nicht gerade hilfreich.» Fast jederArgentinier, den er getroffen habe, sei jedoch völlig in Ordnunggewesen.

Auch die Argentinier sehen sich als Opfer. Viele richten ihrenÄrger auf Großbritannien und dessen historische Rolle als weltweitführende Kolonialmacht - dass die Inseln keine Kolonie mehr sind,ist dabei unerheblich - oder machen die Militärjunta für denFalklandkrieg verantwortlich, die 1982 an der Macht war - vergessendabei aber, dass die Invasion in der Öffentlichkeit breiteUnterstützung hatte.

Umfragen zeigen, dass die meisten überzeugt sind, die Malvinasseien und bleiben argentinisch, und klatschen Fernández' derzeitigerKampagne Beifall. Doch ihre nationalistischen Reden scheinen dieInseln noch mehr aus argentinischer Reichweite zu rücken.

Zwtl.: Gespaltene Gefühle unter Veteranen

«Es ist ein sehr emotionales Thema für uns. Wir bringen unserenKindern immer noch bei, dass die Malvinas argentinisch sind», sagtder 49-jährige Marcelo Pozzo, der als 19-jähriger wehrpflichtigerMatrose die Versenkung des argentinischen Kreuzers «GeneralBelgrano» durch britische Torpedos überlebte. «Wir wissen nicht, wasdie Präsidentschaft erreichen will», sagt Pozzo. «Sie sollte Brückenbauen, doch die Insulaner wollen nicht zu Argentinien gehören. Siewollen in Frieden leben.»

Pozzo und andere argentinische Kriegsveteranen habenwiderstreitende Gefühle, denn sie wurden von einem Militäreingezogen, das sich zu Hause auf die Eliminierung linker«Staatsfeinde» konzentrierte, und sie dann in einen Krieg schickte,auf den sie nicht vorbereitet waren. Soldaten wurden von ihreneigenen Offizieren während der Besetzung misshandelt, einigeverhungerten fast, während Lebensmittel an Deck verrotteten, anderezogen sich Erfrierungen in den Schützengräben zu, weil sie nicht mitfür die Temperaturen angemessener Kleidung ausgestattet waren.

Gustavo Pirich erinnert sich an die Schläge, die er von einemVorgesetzten bekam, weil er aus Verzweiflung Lebensmittel aus einemLager gestohlen hatte. Die Offiziere hätten Fleisch und Kartoffelngegessen und den einfachen Soldaten nichts als wässrige Mehlsuppegelassen, sagt er. Der Oberste Gerichtshof in Argentinien befasstsich derzeit damit, ob diese Taten noch zu strafrechtlichverfolgbaren Kriegsverbrechen zählen. Pirich leidet an Fußbrand,weil er über längere Zeit feuchten, kalten und unhygienischenBedingungen ausgesetzt war, hat Panikattacken und ist reizbar,Syndrome einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Er habe «eines Tages mit großem Verlangen auf ein offenes Fenstergeschaut», erinnert er sich. Doch nach jahrelanger Therapie habe erdie Selbstmordgedanken überwinden können.

Zwtl.: Nur Gott bekannt

«Wir waren sehr jung, völlig unerfahren. Niemand dachte, dass wirin den Krieg ziehen. Wir wussten nicht einmal, was Krieg war», sagtPozzo. Nach ihrer Kapitulation am 14. Juni, den die Insulaner als«Tag der Befreiung» feiern, kehrten die Argentinier gedemütigt nachHause zurück. Es gab keine Willkommensparaden, niemand wollte sichan die Niederlage erinnern. Anfangs habe es kein Interesse, nurVergessen gegeben, sagt Dario Volonte, ein weiterer«Belgrano»-Überlebender.

Hunderte der 649 argentinischen und 255 britischen Soldaten, diegetötet wurden, sind auf den Falklandinseln beigesetzt. Da viele dergefallenen argentinischen Soldaten keine Erkennungsmarke trugen,haben ihre Gräber nur die Inschrift: «Known only to God» (Nur Gottbekannt).