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Kommentar Faire Bezahlung: Lohngerechtigkeit für Frauen nutzt auch Männern

Von Tobias Peter 07.10.2016, 09:07
Selbst bei gleicher Qualifikation beträgt die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen laut statistischem Bundesamt 7 Prozent.
Selbst bei gleicher Qualifikation beträgt die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen laut statistischem Bundesamt 7 Prozent. dpa-Zentralbild

Berlin - In Deutschland gibt es ein ungeschriebenes, kulturell dafür aber umso tiefer verwurzelten Gesetz: Über Geld spricht man nicht. An dieser Tradition rüttelt die große Koalition nun mit ihren Plänen für ein geschriebenes Gesetz, nämlich eines für mehr Lohntransparenz. Und damit am Ende auch für mehr Lohngerechtigkeit. Und das ist überfällig.

Die Idee hinter dem Gesetz: Wenn jemand erst mal weiß, dass er schlechter bezahlt wird als Kollegen, die den gleichen Job im Unternehmen machen, kann er sich besser wehren. Nur dass dieser Satz in aller Regel mit „sie“ gebildet werden muss. Denn in der Realität sind es in aller Regel Frauen, die im Vergleich zu männlichen Kollegen unangemessen schlecht bezahlt werden. Das ist ein grobes Foulspiel. Die gelbe Karte des Gesetzgebers ist da noch großzügig.

Lohndifferenz von 7 Prozent

Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern beträgt, bezogen auf das durchschnittliche Bruttostundenentgelt, 21 Prozent. Zwei Drittel erklären sich darüber, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, seltener in Führungspositionen sind und häufiger in Berufen arbeiten, die traditionell schlecht bezahlt werden. Aber auch bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen beträgt die Differenz laut statistischem Bundesamt immer noch sieben Prozent.

Es löst längst nicht alle Probleme, aber es ist doch ein guter Anfang, wenn Frauen in Unternehmen ab 200 Personen jetzt die Möglichkeit haben zu erfahren, wie viel Kollegen in vergleichbarer Position im Durchschnitt verdienen. Die Befürchtung, solche Ansinnen könnten zu viel Bürokratie verursachen, ist vorgeschoben – da mutet der Staat den Unternehmen in anderen Bereichen weit aufwändigere Regeln zu. Droht Unfrieden in Unternehmen? Dort, wo Ungerechtigkeit herrscht, womöglich ja. Gerade in diesen Fällen kann Unfrieden jedoch die Keimzelle der Veränderung sein.

„Selbst der größte Chauvi“ müsste für mehr Gerechtigkeit sein

Klar ist aber auch: Frauen in kleinen Unternehmen unter 200 Personen profitieren von dem geplanten Gesetz nicht. Und es ändert auch nichts daran, dass gerade in Berufen, in denen vor allem Frauen arbeiten, oft schlecht gezahlt wird. Daran wird sich nicht leicht und schon gar nicht wie von selbst etwas ändern lassen. Warum ist uns etwa die wichtige Arbeit der Erzieherinnen nicht mehr wert? Eine gesellschaftliche Debatte darüber ist dringend notwendig.

Angesichts der vielen gut ausgebildeten Frauen in Deutschland müsse sich „eigentlich selbst der größte Chauvi“ für mehr Lohngerechtigkeit einsetzen, wenn er denn etwas von Wirtschaft verstehe – sagt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Das stimmt. Hinzu kommt: Viele Männer wissen, dass sie selbst davon profitieren, wenn Frauen gerecht bezahlt werden. In vielen Familien ist es heute gang und gäbe, dass beide arbeiten. Wenn beide gut und fair bezahlt werden, ist es leichter, sich die Arbeit im Unternehmen und die Zeit in der Familie fairer untereinander aufzuteilen.

Das wünschen sich auch viele junge Männer. Sie wollen nicht nur spätabends von der Frau erzählt bekommen, wie ihr Kind aufwächst. Diese Zeiten sind vorbei.