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Experte aus Halle zum Korea-Konflikt Experte aus Halle zum Korea-Konflikt: Everhard Holtmann: "Trump pokert sehr hoch"

Von Christian Schafmeister 01.06.2018, 09:31
Nordkorea-Experte Everhard Holtmann
Nordkorea-Experte Everhard Holtmann ZSH

Halle (Saale) - Gegenseitige Beleidigungen und Drohungen, später aber wieder versöhnlichere Töne. Die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu Nordkorea glichen zuletzt einer Achterbahnfahrt. Deshalb kann keiner mit Gewissheit sagen, ob es am 12. Juni tatsächlich zum Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un kommt. Über den Konflikt und mögliche Lösungsansätze sprach MZ-Redakteur Christian Schafmeister mit dem Korea-Experten Prof. Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung in Halle.

Herr Holtmann, Sie haben bereits im Jahr 2013 erklärt, das Verhalten Kim Jong Uns sei mit den gängigen Rationalitätskriterien nicht mehr zu fassen. Inzwischen ist aber auch noch US-Präsident Donald Trump im Spiel. Macht das eine Lösung des Konflikts noch schwieriger?
Everhard Holtmann: Nein, nicht zwangsläufig. Zwar gilt der damalige Befund Kims heute mindestens ebenso für Trump, schließlich wirft er alle gängigen Vorstellungen einer guten Außenpolitik über den Haufen. Aber das macht die Sache für Kim wahrscheinlich sogar einfacher.

Diese Sicht überrascht. Können Sie das einmal nähern erläutern?
Holtmann: Dieser Konflikt ist durch eine ungewöhnlich starke Personalisierung gekennzeichnet. Die beiden Akteure stehen sich wie bei einem Duell gegenüber. Das macht es für Kim deshalb einfacher und eröffnet neue Spielräume, weil er keiner Allianz aus mehreren Staaten mehr gegenübersteht, die eingebettet ist in die üblichen diplomatischen Abstimmungsprozesse.

Und wer hat in diesem Duell nach all den Eskapaden derzeit die Nase vorne?
Holtmann: Das ist schwer zu sagen.Tatsache aber ist: Es wäre für Trump schon ein sehr großer Erfolg, wenn es überhaupt zu dem historischen Treffen in Singapur kommt und eine mögliche Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel dauerhaft zu einem Thema wird.

Und was will Kim in dem Konflikt erreichen?
Holtmann: Er will sein Land zumindest ein Stück weit aus der Umklammerung Chinas befreien. Dafür benötigt er jedoch wirtschaftliche Unterstützung. Sein militärisches Potenzial ist in den Verhandlungen sein Faustpfand. Damit will er sich innenpolitische Stabilität erkaufen. Kim wird keiner Lösung zustimmen, die sein Regime in irgendeiner Form gefährdet.

China dürfte es aber doch sicher nicht gefallen, an Einfluss zu verlieren.
Holtmann: Sagen wir es so: Eine Vereinigung Nord- und Südkoreas ist aus chinesischer Sicht nicht wünschenswert. China müsste fürchten, dass sich der amerikanische Einfluss in den Norden ausweitet, letztlich sogar bis an die chinesische Grenze.

Ist eine Vereinigung aber überhaupt eine realistische Option? Und kann man überhaupt Parallelen zur deutschen Wiedervereinigung ziehen, wie es gelegentlich passiert?
Holtmann: Nein, die Situation ist kaum vergleichbar mit der in Deutschland 1989. Die Verständigungskluft ist zwischen Nord- und Südkorea um einiges größer als damals bei uns. Darüber hinaus wäre Südkorea mit einer Vereinigung finanziell völlig überfordert. Das ginge also alles nur mit internationaler Hilfe. Erschwerend kommt noch hinzu, dass speziell die junge Generation in Südkorea einer Vereinigung teilweise auch zurückhaltend gegenübersteht. Viele junge Leute dort haben Angst vor Verteilungskämpfen.

Gleichwohl waren Sie mehrfach in Südkorea und haben mit der Regierung über das Thema Vereinigung gesprochen. Was wäre aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg?
Holtmann: Die beiden Länder können sich durchaus an Erfahrungen, die wir in Deutschland gemacht haben, orientieren. Ich denke dabei aber eher an eine langsame Verbesserung der Beziehungen über eine friedliche Koexistenz, wie sie 1972 im Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR festgeschrieben worden ist. Das ist für mich ein realistischer Anknüpfungspunkt.

Was wären die Vorteile eines solchen Modells?
Holtmann: Nordkorea könnte auf der Basis zunächst versuchen, seine Wirtschaft langsam zu liberalisieren. Und der Süden müsste nicht das hohe Risiko einer Überforderung eingehen.

Das klingt wieder nach guter alter Diplomatie, die oft einen langen Atem braucht. Steht Trump auch vor dem Hintergrund der Kongresswahlen im November nicht unter großem Druck und muss er seinen Wählern nicht rasch einen spektakulären Erfolg liefern?
Holtmann: Das stimmt, der Druck auf Trump steigt. Und weil er wichtige innenpolitische Fragen wie die Gesundheitsreform nicht hat lösen können, setzt er nun auf die Außenpolitik und erhofft sich dort Erfolge. Der drohende Handelsstreit mit China, der Nahost-Konflikt, die Krise in Nordkorea - alle diese Themen lassen sich unter diesem Aspekt einordnen.

Damit pokert er jedoch ausgesprochen hoch, oder?
Holtmann: Ja, das stimmt. Auf der einen Seite pokert er derzeit sehr hoch, und alles kann auch schief gehen. Auf der anderen Seite sind viele seiner Wähler durchaus offen für nationalistische Töne. Die Strategie des US-Präsidenten könnte also letztlich auch aufgehen.  (mz)