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EU-Mitgliedschaft der Türkei EU-Mitgliedschaft der Türkei: Union erntet Kritik an geplanter Unterschriftenaktion

11.10.2004, 11:48
Hinter dem Denkmal für den Unbekannten Soldaten in Ankara wehen türkische Fahnen im Wind (Archivfoto vom 29.10.2002). Nach vier Jahrzehnten Wartezeit bekommt die Türkei die Chance auf einen Beitritt zur Europäischen Union. (Foto: dpa)
Hinter dem Denkmal für den Unbekannten Soldaten in Ankara wehen türkische Fahnen im Wind (Archivfoto vom 29.10.2002). Nach vier Jahrzehnten Wartezeit bekommt die Türkei die Chance auf einen Beitritt zur Europäischen Union. (Foto: dpa) EPA

Berlin/dpa. - Die Unions-Spitze hat mit ihrem Vorstoß für eineUnterschriftenaktion gegen den möglichen EU-Beitritt der TürkeiEmpörung und auch Kritik aus den eigenen Reihen ausgelöst. Neben SPD,Grünen und FDP äußerten am Montag mehrere CDU-Politiker schwereBedenken.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte in Luxemburg: «CDU undCSU müssen wissen, wie weit sie gehen, denn das wird einen großenaußenpolitischen Schaden anrichten.» Vertreter von SPD und Grünenwiesen die Überlegungen der Parteichefs Angela Merkel (CDU) undEdmund Stoiber (CSU) scharf zurück. Die FDP sprach vonunverantwortlichem Populismus. Ein Regierungssprecher nannte denVorstoß aus der Union rückwärts gewandt und realititätsfern.

Stoiber schloss sich am Montag in München den Überlegungen Merkelsund des CSU-Landesgruppenchefs Michael Glos vom Wochenende an. EineUnterschriftensammlung gegen die türkische EU-Vollmitgliedschaft sei«eine durchaus vernünftige Idee». Die Bürger wollten alle Pro undContras von der Politik aufbereitet bekommen. Die Union will eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei verhindern und ihr stattdessen eine«privilegierte Partnerschaft» anbieten.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) unterstützte imGrundsatz die Idee: «Zum richtigen Zeitpunkt muss eine solcheUnterschriftenaktion erwogen werden - das wird aber ganz sicher nichtin den kommenden vier Wochen sein.» Koch - damals Oppositionsführerin Wiesbaden - hatte vor der hessischen Landtagswahl 1999 eineUnterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaftgestartet. Er stieß damit auf Empörung - und gewann die Wahl.

Der CDU-Spitzenkandidat für die schleswig-holsteinischeLandtagswahl im Februar 2005, Harry Peter Carstensen, lehnt es indesab, mit einer Kampagne gegen einen türkischen EU-Beitritt in denWahlkampf zu ziehen. «Wir werden eine Unterschriftenaktion inSchleswig-Holstein nicht vorantreiben», sagte er dem «Handelsblatt»(Dienstag).

Zum Widerstand in der CDU sagte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach(CDU) der Hörfunkagentur dpa/RUFA: «Ich befürchte, dass eine solcheAktion missverständlich sein könnte und unnötig emotionalisiert.» Erglaube nicht, «dass ich der einzige bin, der hier Bedenken anmeldet».Ähnlich argumentierten Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz und derCDU-Außenpolitiker Volker Rühe. «Ich hoffe, dass die CDU-Führung sehrschnell von diesen Plänen Abstand nimmt», sagte Rühe der «LeipzigerVolkszeitung» (Dienstag).

SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter kündigte «entschiedenenWiderstand» seiner Partei gegen eine Unterschriftenaktion der Unionan. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD)sagte: «Immer wenn die Union nicht weiter weiß, macht sie eineUnterschriftenaktion und sammelt zuvor hoch gekochte Emotionen ein.» 

«Merkel, Stoiber und Glos sind für mich politische Brandstifter,die denen, die ganz rechts außen stehen, damit nur Unterstützungleisten», sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Für FDP-ChefGuido Westerwelle ist eine derartige Unterschriftensammlung eininnerparteilicher Mobilisierungsfaktor ohne praktisches Ergebnis.

Vor einer Eskalation warnte der türkische Botschafter in Berlin,Mehmet Ali Irtemcelik. Eine Aktion, «die offensichtlich zu einerKampagne gegen die Türkei gemacht und aufgeheizt werden soll», könneeinige Schichten in der Gesellschaft an den Rand der Hysteriebringen, sagte er dem «Handelsblatt». Die Türkische Gemeinde inDeutschland äußerte in einem offenen Brief an CDU-Chefin Merkel dieBefürchtung, eine solche Kampagne würde «Vorurteile gegenüber derTürkei und den Türken weiter» schüren.

Die CSU-Fraktionen im bayerischen Landtag und im Europaparlamentunterstützen hingegen eine Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei. Landtags-Fraktionschef Joachim Herrmann sagte inMünchen, dabei dürften aber die Beziehungen zum NATO-Partner Türkeinicht beschädigt werden.

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche die Aufnahme vonBeitrittsverhandlungen mit der Türkei unter Bedingungen befürwortet.Darüber müssen nun im Dezember die EU-Staats- und Regierungschefsentscheiden.