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Erdogan droht EU mit Flüchtlingen: "Wir öffnen die Türen"

10.10.2019, 12:00
Dieses vom türkischen Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellte Foto zeigt eine militärische Operation an der türkisch-syrischen Grenze. Die Türkei hat nach Luftangriffen gegen kurdische Milizen in Nordsyrien nun auch eine Offensive mit Bodentruppen begonnen. Foto: -/Turkish Defense Ministry/XinHua/dpa
Dieses vom türkischen Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellte Foto zeigt eine militärische Operation an der türkisch-syrischen Grenze. Die Türkei hat nach Luftangriffen gegen kurdische Milizen in Nordsyrien nun auch eine Offensive mit Bodentruppen begonnen. Foto: -/Turkish Defense Ministry/XinHua/dpa Turkish Defense Ministry/XinHua

Ankara - Nach Kritik an der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien hat Präsident Recep Tayyip Erdogan erneut gedroht, Millionen Flüchtlinge in Richtung Europa ziehen zu lassen.

„Hey, Europäische Union. Reißt Euch zusammen. Seht, ich sage es noch einmal: Wenn ihr versucht, unsere aktuelle Operation als Besatzung zu bezeichnen, dann haben wir leichtes Spiel. Dann öffnen wir die Türen und schicken euch (die) 3,6 Millionen Flüchtlinge”, sagte Erdogan in einer Rede vor Angehörigen seiner Regierungspartei AKP am Donnerstag: Er wiederholte mehrmals: „Dann öffnen wir eben die Türen.”

Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland Syrien offiziellen Angaben zufolge rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen - mehr als jedes andere Land der Welt.

Unterdessen setzte das türkische Militär seine Offensive gegen Kurdenmilizen in Nordsyrien fort und erzielte erste Geländegewinne. In einem Tweet des Verteidigungsministeriums in Ankara vom Donnerstag hieß es, „die heldenhaften Soldaten” rückten mit der „Operation Friedensquelle” im Osten des Flusses Euphrat weiter vor.

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge hatten „die türkischen Truppen und ihre Alliierten” es über Nacht nicht geschafft, eine der Städte nahe der Grenze zur Türkei einzunehmen. Kurz nach Mittag (Ortszeit) konnten sie sich den Beobachtern zufolge aber in einem Dorf nahe der Stadt Tall Abjad festsetzen.

Bewohner von Tall Abjad sagten der Deutschen Presse-Agentur, dass einige Zivilisten von den kurdischen Kämpfern an der Flucht aus der Stadt gehindert worden seien. „Sie (die Kurden) wollen sie als menschliche Schilde benutzen”, sagte ein Bewohner, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Die Türkei hat ihre Militäroffensive am Mittwoch begonnen und dafür international scharfe Kritik geerntet. Ziel der Offensive ist die Kurdenmiliz YPG, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei und damit eine Terrororganisation.

Die Türkei will entlang der Grenze eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und dort auch syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit in der Türkei leben. Seit Beginn des Syrienkrieges sind von dort nach UN-Angaben mehr als 5,6 Millionen Menschen geflüchtet. 3,6 Millionen von ihnen leben heute in der Türkei. Das nördliche Nachbarland hat damit die meisten syrischen Flüchtlinge weltweit aufgenommen.

Die von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) meldeten am frühen Donnerstagmorgen, dass sie einen Angriff „türkischer Truppen und ihrer Alliierter” auf die Stadt Ain Issa zurückgeschlagen hätten. Die liegt rund 35 Kilometer von Tall Abjad entfernt. Das türkische Militär wird unterstützt von syrischen Rebellen. Die SDF gab an, es habe unter den Gegnern Opfer gegeben. Ain Issa stehe weiter unter Beschuss.

Der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge haben Artillerie-Einheiten im Morgengrauen von der türkischen Seite der Grenze aus auch den Beschuss der Stadt Ras al-Ain fortgesetzt. Tall Abjad und Ras al-Ain sind türkischen Medienberichten zufolge ein Hauptfokus der Offensive.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Beginn des lange geplanten Militäreinsatzes am Mittwochnachmittag per Twitter bekanntgegeben. In den ersten Stunden der türkischen Angriffe waren nach Angaben von Aktivisten mindestens 15 Menschen getötet worden. Unter den acht zivilen Opfern seien auch zwei Kinder.

Der Einsatz stößt international auf scharfe Kritik. Regierungen und Institutionen fordern den sofortigen Stopp. Am Donnerstag wollte sich der UN-Sicherheitsrat in New York mit dem Vorgehen der Türkei beschäftigen. Deutschland habe im Auftrag der fünf EU-Mitgliedsländer des Rates - neben Deutschland sind das Polen, Belgien, Frankreich und Großbritannien - beantragt, dass das Thema in einer Sitzung angesprochen werde, hieß es aus Diplomatenkreisen.

Russland wertete die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien als berechtigten Schritt Ankaras zum Schutz der eigenen Grenzen. „Seit Beginn der Syrien-Krise haben wir deutlich gemacht, dass wir die berechtigten Sorgen der Türkei um die Sicherheit der eigenen Grenzen verstehen”, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag.

Bundesaußenminister Heiko Maas wiederholte seine Bedenken in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag. Deutschland und die Europäische Union befürchteten „erhebliche negative Folgen bis zu möglichem IS-Wiedererstarken - bei allem Verständnis für Sicherheitsinteressen”, teilte das Auswärtige Amt am Donnerstag auf Twitter zu dem Gespräch mit. Maas hatte die Offensive bereits am Mittwoch „auf das Schärfste” verurteilt und die Türkei aufgerufen, den Angriff zu beenden. (dpa)