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Entführungsfall Jakob von Metzler Entführungsfall Jakob von Metzler: Daschner setzte Drohung gegen erheblichen Widerstand durch

22.11.2004, 08:05
Wolfgang Daschner, der frühere Vize-Polizeipräsident von Frankfurt/Main wurde angeklagt, weil er einen Hauptkommissar am 1. Oktober 2002 angewiesen haben soll, dem Verdächtigen Magnus Gäfgen mit großen Schmerzen zu drohen. (Foto: dpa)
Wolfgang Daschner, der frühere Vize-Polizeipräsident von Frankfurt/Main wurde angeklagt, weil er einen Hauptkommissar am 1. Oktober 2002 angewiesen haben soll, dem Verdächtigen Magnus Gäfgen mit großen Schmerzen zu drohen. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Frankfurt/Main/dpa. - Der frühere Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner hat die Bedrohung des Metzler-Entführers gegen den Widerstand seiner führenden Beamten durchgesetzt. Er habe am Morgen des 1. Oktober 2002 in Absprache mit Kollegen zunächst die Anweisung Daschners zur Gewaltanwendung nicht umgesetzt, sagte der damalige Chef der Sonderkommission «Louisa» am Montag als Zeuge vor dem Frankfurter Landgericht. Stattdessen habe man ein in der Nacht zuvor vorbereitetes Konzept weiterverfolgt, dasdie Konfrontation des Täters mit den Angehörigen des entführtenBankierssohns Jakob von Metzler vorsah.

Daschner hatte nach eigener Aussage am Morgen des viertenEntführungstages angeordnet, den festgenommenen Täter Magnus Gäfgen mit Schmerzen zu bedrohen und sie ihm im Beisein eines Arztes auch zuzufügen, falls er nicht das Versteck seiner Geisel verrate. Der 61-jährige suspendierte Vize-Präsident ist wegen der Verleitung zu schwerer Nötigung angeklagt. Neben ihm auf der Anklagebank sitzt der Vernehmungsbeamte, der Gäfgen dazu gebracht hatte, das Leichenversteck des elfjährigen Kindes zu verraten.

Daschner habe sich auf eigene Faust den Beamten gesucht, der dieDrohungen ankündigen sollte, berichtete der Soko-Chef. Das sei an ihm und auch an dem zuständigen Abschnittsleiter vorbei gelaufen. In einer zweiten Besprechung habe Daschner sein Konzept durchgesetzt: «Herr Daschner war sehr erregt. Er war laut.» Der Polizei-Vize habe sein Vorgehen mit der polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr begründet und sich auf einen übergesetzlichen Notstand berufen. Hier habe er intuitiv Vorbehalte gehabt und rechtliche Bedenken geäußert, sagte der Zeuge: «Die ganze polizeiliche Sozialisation ist darauf ausgerichtet, dass wir Menschen im polizeilichen Gewahrsam keineSchmerzen zufügen.» An eine Einbeziehung der Staatsanwaltschaft habe niemand gedacht.

Der ebenfalls als Zeuge geladene Chef der Sondereinsatzkräfte(SEK) hatte es nach eigener Aussage aus Fürsorgegründen abgelehnt, einen seiner Beamten mit Gewalttaten zu beauftragen. Er habe aber einen Freiwilligen gefunden, der sich bereit erklärt hatte, auf direkte Anweisung Daschners gegen Gäfgen vorzugehen. Dieser Beamte sollte aus dem Urlaub mit einem Hubschrauber herbeigeholt werden. Auch ein Polizeiarzt stand bereit.

Besondere Hoffnungen in dem Alternativkonzept habe man nach demRat des Polizeipsychologen auf ein Gespräch Gäfgens mit JakobsSchwester Elena gesetzt, sagte der 42 Jahre alte Soko-Chef. Die 15-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Bruder seien in der Nacht aufdiese schwierige Aufgabe vorbereitet worden. Dass es zunächst nichtdazu gekommen sei, habe an neuen Aussagen Gäfgens gelegen, der diePolizei an ein angebliches Geiselversteck an einem See südlich vonFrankfurt schickte. Diese Aussage hatte sich am Morgen als falschherausgestellt. «Ich war mir sicher, dass wir ihn knacken könntenüber die gut aussehende Elena von Metzler, die das verkörperte, waser haben wollte», sagte der 42-Jährige. Der Psychologe hatte nachAngaben des Zeugen von einer Bedrohung Gäfgens abgeraten.

Der Prozess gegen die beiden Polizisten wird am Donnerstagfortgesetzt. Dann soll der zu lebenslanger Haft verurteilte Gäfgenaussagen.