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Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macrons Rede: Wie realistisch sind die Europa-Visionen des französischen Präsidenten?

Von Damir Fras 27.09.2017, 19:33
Hat große Visionen für Europa: Der französische Präsident Emmanuel Macron.
Hat große Visionen für Europa: Der französische Präsident Emmanuel Macron. AFP POOL

Berlin - Noch einmal konnte sich Sigmar Gabriel als Außenminister lobend über seinen Freund Emmanuel Macron äußern. Dessen Europa-Vorschläge, so der SPD-Politiker, seien „ein mutiges, ein leidenschaftliches Plädoyer gegen den Nationalismus und für Europa“ gewesen.

In der Tat: Seit Jahren hat kein europäischer Spitzenpolitiker mehr, schon gar kein Staatspräsident aus Frankreich, eine derart kühne Vorstellung von der Zukunft der Europäischen Union entwickelt. Mit Gabriels SPD, das kann man annehmen, würde es Macron leichter haben, seine Vorstellungen durchzusetzen. Aber die Sozialdemokraten wollen nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl in die Opposition. Und ob eine Jamaika-Koalition in Berlin dem französischen Präsidenten auf seiner Suche nach mehr Europa helfen will und wird, ist noch lange nicht ausgemacht.

Immerhin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über ihren Sprecher ausrichten lassen, dass sie den Elan und die Leidenschaft, mit der Macron gesprochen habe, begrüße. Für eine Bewertung der Ideen im Einzelnen sei es aber noch zu früh.

Ein Überblick über Vorschläge und ihre Chancen, verwirklicht zu werden:

Sicherheit und Verteidigung:

Macron fordert einen europäischen Verteidigungshaushalt, eine gemeinsame Verteidigungsdoktrin und eine gemeinsame Eingreiftruppe, die schon zu Beginn des kommenden Jahrzehnts einsatzbereit sein soll. Die nationalen Streitkräfte der einzelnen EU-Mitgliedstaaten sollen Soldaten aus anderen Ländern aufnehmen. Als Instrument gegen den Terrorismus will Macron die Bildung einer europäischen Staatsanwaltschaft forcieren. Außerdem soll es eine EU-Geheimdienstakademie geben.

Die Chancen auf Realisierung sind relativ hoch, schnell wird es allerdings nicht gehen:

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nennt eine gemeinsame Strategie eine „unabdingbare Voraussetzung für eine handlungsfähige Verteidigungsunion“. Deutschland und Frankreich hätten eine gemeinsame Grundrichtung. Ob allerdings Nationalstaats-Fans in der CSU und im konservativen Flügel der CDU den ganzen Weg mitgehen, ist zweifelhaft. FDP und Grüne dagegen dürften keine größeren Schwierigkeiten mit einer vertieften, gemeinsamen Verteidigung auf EU-Ebene haben.

Einwanderung:

Macron will eine europäische Asylbehörde gründen. Sie soll die Arbeit der nationalen Behörden koordinieren. Auch sollen die Einwanderungsgesetze harmonisiert werden. Eine EU-Grenzpolizei soll die Außengrenzen schützen.

Die Chancen auf Realisierung sind relativ gering:

In Deutschland gibt es noch nicht einmal ein Einwanderungsgesetz. Vor allem die CSU dürfte die Abgabe nationaler Polizeikompetenzen an die EU so lange hinauszögern wie nur irgend möglich.

Deutsch-französische Zusammenarbeit:

Macron will die Partnerschaft seines Landes mit Deutschland noch vertiefen. Er könne sich vorstellen, dass bis zum 2024 die beiden Wirtschaftsräume vollständig integriert sind. Dann könnten für Unternehmen in beiden Ländern dieselben Regeln gelten. Der französische Präsident will dazu in weniger als vier Monaten, einen neuen Élysée-Vertrag schließen. Am 22. Januar 2018 ist der 55. Jahrestag der Unterzeichnung des alten Èlysée-Vertrages, den 1963 Konrad Adenauer und Charles de Gaulle unterschrieben.

Das ist machbar, aber ambitioniert:

Solange die Details der wirtschaftlichen Integration nicht bekannt sind, lässt sich wenig über das Ausmaß des potenziellen Widerstands sagen. Eine Erneuerung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages dagegen ist vergleichsweise schnell erledigt, weil es sich hierbei um einen eher symbolischen Akt handelt.

Wirtschaft und Finanzen:

Die Euro-Zone, die derzeit 19 EU-Mitgliedsstaaten umfasst, soll einen eigenen Haushalt bekommen und einen eigenen Finanzminister, der vom Europa-Parlament kontrolliert wird. Auch will Macron versuchen, eine Steuer auf Finanz-Transaktionen an der Börse in der gesamten EU einzuführen. Der französische Präsident fordert zudem eine einheitliche Bemessungsgrundlage für Unternehmenssteuern in der EU. Bis zur Verabschiedung des nächsten EU-Budgets im Jahr 2020 sollen verpflichtende Unter- und Obergrenzen für die Körperschaftssteuersätze festgelegt werden. Länder, die sich verweigern, sollten keine EU-Strukturmittel erhalten, so Macron: „Man kann nicht von der europäischen Solidarität profitieren und gegen die anderen spielen.“ Zu den Ideen des Präsidenten aus Paris gehört auch ein EU-weit geltender Mindestlohn.

Die Ideen sind spektakulär, Wirklichkeit dürften sie jedoch kaum werden:

Eine Steuer auf Börsengeschäfte ist zuletzt im Jahre 2013 in der EU gescheitert. Gegen einen Eurozonen-Finanzminister hat sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den vergangenen Jahren vehement gestemmt. Und heute sagt die FDP, der potenzielle Koalitionspartner der Union, klipp und klar in Sinne Schäubles: „Ein Eurozonenbudget wird es mit den Freien Demokraten nicht geben.“ Macron vertraue zu sehr auf den Staat und auf neue Steuern.