Ehrenamtliche Helfer Ehrenamtliche Helfer: Niemanden allein lassen
Halle (Saale)/MZ. - "Medizinisch bin ich damals sehr gut versorgt worden", erzählt der heute 71-Jährige. Ihm habe aber eine psychologische Betreuung gefehlt. Dabei quälten den Familienvater viele Fragen: Was wird aus dem Beruf? Werde ich je wieder arbeiten können oder den Rest meines Lebens auf Hilfe angewiesen sein? Ist es möglich, wieder Auto zu fahren? Er fühlte sich ziemlich alleingelassen. Sein Weg zurück ins Leben war schwer. Bernd Schreyer hat ihn schließlich gefunden. Mit Hilfe seiner Frau und den zwei Kindern sowie eines Arztes, der ihn körperlich wieder fit gemacht hat. Er konnte sogar wieder in seinem Beruf arbeiten. Aber damals hat er sich geschworen: "Du musst etwas tun für Menschen, die genauso weit unten sind, wie du es einmal warst."
Es war ein Vortrag von Pfarrer Heinrich Pera, der ihn Anfang der 90er Jahre auf die Spur brachte. Der Wegbereiter der Hospizbewegung in Deutschland sprach in der Luthergemeinde über seine Idee. Und er konnte Bernd Schreyer dafür begeistern. 1995 belegte er einen entsprechenden Kurs und gehört seitdem zu den etwa 80 ehrenamtlichen Mitarbeitern des ambulanten Hospizdienstes in Halle. Regelmäßig begleitet er nun Schwerkranke, die ihre letzte Lebensphase zu Hause verbringen möchten und deren Angehörige. Bevor Bernd Schreyer allerdings zum Einsatz kommt, sind Cornelia Tietze und Gerlinde Poldrack am Zuge. Bei den beiden Koordinatorinnen des ambulanten Hospizdienstes melden sich Menschen, die eine Begleitung wünschen.
Die entsprechend ausgebildeten Pflegefachkräfte statten der Familie dann einen ersten Hausbesuch ab. Sie ermitteln dabei, was in der konkreten Situation benötigt wird und was möglich ist. Sie sorgen etwa dafür, dass Kontakte zwischen Hausarzt, Pflegediensten und Schmerztherapeuten geknüpft werden, geben Angehörigen praktischen Rat für die Pflege und sie informieren über ganz wichtige Schritte, die gegangen werden müssen - etwa die Erarbeitung einer Patientenverfügung oder einer Betreuungsvollmacht. "Wir betreiben sozusagen Krisenprävention", sagt Gerlinde Poldrack.
Dann wird ein ehrenamtlicher Mitarbeiter vermittelt, der zu dem schwer kranken Menschen passt und in engem Kontakt zu den Koordinatorinnen, die weitere Begleitung übernimmt. "Das ist eine rein psychosoziale Begleitung - ohne Pflege, ohne hauswirtschaftliche Arbeiten", erläutert Cornelia Tietze. Die Ehrenamtlichen, die nie mehr als einen Patienten betreuen, sind für Gespräche da, für Spaziergänge mit den Kranken, für eine Begleitung zum Arzt und, ganz wichtig, um Angehörige von Zeit zu Zeit zu entlasten.
Damit sie dieser Aufgabe gewachsen sind, durchlaufen die Ehrenamtlichen zuvor eine umfangreiche Ausbildung. Mehr als 100 Stunden umfasst der Kurs, der jeweils von Februar bis November läuft. Die Ausbildung ist kostenfrei - wenn sich der Teilnehmer verpflichtet, danach mindestens zwei Jahre für das Hospiz tätig zu sein. Es kommen Menschen unterschiedlichsten Alters, unterschiedlichster Weltanschauung oder Religion und aus unterschiedlichsten Motiven, sagen die beiden Frauen. Einige hätten eigene Erfahrungen mit dem Thema Tod gemacht, andere hätten einfach den Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun.
Bernd Schreyer begleitet seit längerem Hans Schmidtke (Name geändert). Der leidet unter den Folgen einer Krebserkrankung und zudem an Demenz. Einmal in der Woche führen die Männer längere Gespräche. "Wir reden über Gott und die Welt. Kaum über die Krankheit", sagt der Helfer. Es könne aber auch passieren, dass geschwiegen werde. "Wenn er nichts sagen will, dann muss ich das aushalten. Dann sitze ich einfach an seinem Bett." Wichtig sei die Nähe. "Die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten stehen immer im Mittelpunkt - das ist eine Grundvoraussetzung bei der Umsetzung der Hospizidee." Auch Beate Schmidtke weiß die Arbeit von Bernd Schreyer zu schätzen. Zum einen möchte sie, dass ihr Mann ständig Anregung bekommt. "Er versteht es meisterhaft, Gespräche so zu führen, dass das gelingt", sagt sie. Zum anderen eröffnen ihr seine Besuche Freiräume für eigene Aktivitäten. Sie ist ehrenamtlich stark engagiert, nutzt die Freizeit aber auch für Erledigungen, Einkäufe oder sportliche Aktivitäten.
Es sei ein Geben und Nehmen, sagt Bernd Schreyer. "Ich habe große Hochachtung, wie viele Menschen eine schier hoffnungslose Situation bewältigen. Das sind Erfahrungen, die mich innerlich stark machen."
Der ambulante Hospizdienst ist für die Menschen, die ihn nutzen, kostenlos. Einen Teil der Personalkosten für die Koordinatorinnen tragen die Kassen. Alles andere wird durch Spenden finanziert. 15 000 bis 20 000 Euro pro Jahr sind dafür erforderlich.
Cornelia Tietze und Gerlinde Poldrack würden sich wünschen, dass sich ihre Arbeit noch weiter herumspricht - obwohl die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gut ausgelastet sind. Auf 2 882 Stunden Arbeit im Ehrenamt sind sie im vergangenen Jahr gekommen.
Das ist viel Zeit, die sie opfern. Bernd Schreyer bleibt dennoch dabei. "Solange ich das Gefühl habe, anderen Menschen helfen zu können, mache ich weiter."