Egon Bahr Egon Bahr: "Auch Kinder und Enkel Putins werden keine Demokraten"
Berlin - Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel möchte von Egon Bahr noch genauer erfahren, warum er an dem Treffen der rechten Putin-Freunde um die Verschwörungstheoretiker des Magazins „Compact“ teilgenommen hat. Im Interview erklärt der einstige außenpolitische Vordenker der SPD das schon einmal.
Pikant ist die Sache nicht nur wegen des Eindrucks, prominente ältere Sozialdemokraten wie Bahr, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder hielten mehr zu Putin als zur Bundesregierung. Die „Compact“-Anhänger sind genau jene Gruppierung, gegen die Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Sommer seine legendäre Wutrede auf dem Alexanderplatz gehalten hat, als diese ihn als Kriegstreiber beschimpft hatten.
Herr Bahr, Sie waren am Wochenende auf der „Friedenskonferenz“ des rechtspopulistischen Magazins „Compact“ und haben sich da in eine recht dubiose Gesellschaft begeben. Warum?
Ich wollte Herrn Jakunin kennenlernen. Weil ich weiß, dass der Wladimir Putin sehr nahe steht.
Konnten Sie mit ihm sprechen?
Natürlich.
Haben Sie neue Erkenntnisse gewonnen?
Ich war beeindruckt, dass er sich in seinem Vortrag darauf konzentriert hat, die kulturelle Nähe Russlands und Deutschlands in den letzten 100 Jahren zu betrachten. Wir haben uns dann kurz bei einer Erbsensuppe getroffen. Er hat mir seine Telefonnummer gegeben und mich zu einem Gespräch in Moskau im kommenden Frühjahr eingeladen.
Wladimir Jakunin ist Präsident der Russischen Eisenbahn, ein Vertrauter Putins, aber auch ein Mann, der sich gern abfällig über Oppositionelle und Homosexuelle äußert…
Ich weiß doch, dass Russland keine Demokratie nach unserer Vorstellung ist. Das war es nie. Der weise US-Präsident Bush (der erste) hat nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gesagt, Russland müsse sich nach seinen Traditionen entwickeln. Zu den Traditionen gehört Demokratie nicht. Ich glaube, dass auch die Kinder und Enkel Putins nicht Demokraten in unserem Sinne sein werden, sondern die werden, wenn wir Glück haben, eine Demokratie à la Russe entwickeln.
Sie sehen kein Problem darin, zu einer Konferenz zu gehen, deren Organisatoren und meisten Teilnehmer zumindest zweifelhaft sind?
Ich glaube nicht, dass ich nachweisen muss, dass ich Sozialdemokrat bin. Ich wollte Herrn Jakunin treffen, und das entspricht ja auch der gemeinsamen Linie von Frau Merkel und Herrn Steinmeier: Der Draht nach Moskau soll nicht abreißen.
Aber Sie haben auf der Konferenz ja auch gesprochen…
Ja, kurz, aber nur, weil ich mich so über den unqualifizierten Auftritt von Herrn Schachtschneider geärgert hatte. Den wollte ich ein wenig zurecht rücken, weil er behauptet hat, dass Deutschland weiterhin nicht souverän sei. So ein Unsinn. (Karl Albrecht Schachtschneider ist ein konservativer Staatsrechtler und Euro-Kritiker, der die AfD unterstützt.)