1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. USA im Jahr 2017: Donald Trump: Der US-Präsident spaltet die Vereinigten Staaten wie nie zuvor

USA im Jahr 2017 Donald Trump: Der US-Präsident spaltet die Vereinigten Staaten wie nie zuvor

Von Karl Doemens 03.03.2017, 16:28
Hunderte Menschen hatten sich nach Trumps Einreise-Verbot an Flughäfen versammelt. 
Hunderte Menschen hatten sich nach Trumps Einreise-Verbot an Flughäfen versammelt.  GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Prüfend blättert der schwarze Einwanderungsbeamte am Flughafen von Washington durch den dunkelroten Pass. „Was ist Ihr Beruf?“, fragt er streng. Der Adrenalinspiegel steigt. Leugnen hilft nichts. Schließlich klebt weiter hinten im Ausweis ein Presse-Visum. Wie wäre es mit einem scherzhaften: „Fake News“? Vielleicht keine so gute Idee. Also möglichst beiläufig heraus mit der Wahrheit: „Journalist.“

„Journalist?“, wiederholt der Beamte. Nun lächelt er betont freundlich: „Oh, da haben Sie aber eine Menge zu tun.“ Er reicht den Pass zurück und winkt den Fremden durch.

„Wollen Sie oder müssen Sie da hin ziehen?“ 

Willkommen in den USA, dem Land der ehemals grenzenlosen Freiheit, das der restlichen Welt seit dem Wahlsieg von Donald Trump so fremd geworden ist! „Wollen Sie oder müssen Sie dahin ziehen?“, haben Bekannte zuhause im rot-rot-grünen Berlin gefragt und dann höflich hinzugesetzt: „Ist auf jeden Fall eine spannende Zeit!“ Ja, so muss man es wohl nennen, wenn der einstige Bannerträger der Demokratie plötzlich selbstverständliche gemeinsame freiheitliche Werte in Frage stellt, wenn die Wahrheit nur noch als eine Alternative gilt und eine Gesellschaft so radikal auseinanderstrebt.

Gleich hinter der Zollabsperrung am Flughafen recken Freiwillige Plakate in die Höhe. „Kostenloser Rechtsbeistand“ steht da auf Englisch drauf und: „Informieren Sie uns, wenn jemand zurückgehalten wird!“ Anfang Februar waren in den Transitbereichen der US-Flughäfen mehr als hundert Menschen gestrandet, weil ihnen unerwartet die Einreise verweigert worden war. An diesem Tag aber haben die engagierten Helfer in der Ankunftshalle wenig zu tun. Das Berufungsgericht in San Francisco hat Trumps erste aufsehenerregende Amtshandlung gestoppt und das von ihm verhängte Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimischen Staaten ausgesetzt. Das Weiße Haus brütet noch über eine Neufassung. Es ist nicht die einzige Schlappe, die Trump einstecken musste.

Rund 62 Millionen Amerikaner haben Trump im November gewählt. Der Milliardär mit der Pose des Anti-Establishment-Rebellen hat die Mehrheit der Wahlmänner hinter sich geschart. Aber zugleich zeigt die Zivilgesellschaft, wie entschlossen sie ist, die traditionellen amerikanischen Werte zu verteidigen.

Capitol Hill als Kontrast-Viertel

In der Hauptstadt haben fast 90 Prozent für „Hillary“, die demokratische Präsidentschaftskandidatin Clinton, gestimmt. Hier wohnt die politische Elite des Landes, die Trump als „Sumpf“ verunglimpft. In Washington leben mehr Schwarze als Weiße – aber der Aufstieg der Stadt in den vergangenen Jahren verdrängt die ärmeren Schichten immer mehr an den Rand. So auch in Capitol Hill, dem einst schlecht beleumundeten Viertel gleich hinter dem Prachtbau des Kongresses. Die kleinen Backsteinhäuschen sind inzwischen schick herausgeputzt. Am Wochenende kauft man auf dem Eastern Market Öko-Gemüse – das Pfund zu sechs Dollar. Hier fühlt man sich wie in Europa. „Ganz egal, wo Du herkommst: Wir freuen uns, dass Du unser Nachbar bist!“ steht in Spanisch, Englisch und Arabisch auf Schildern in manchen Vorgärten. Andere Anwohner haben Plakate mit Zitaten von Martin Luther King aufgestellt.

Gerne zeigt die Maklerin eine Wohnung im neuen In-Viertel – sehr schön mit Holzfußboden und freigelegter Backsteinwand, wie man das hier so hat. Der Mietpreis ist happig. Aber noch mehr irritiert der Aufkleber auf dem großen silbernen Kühlschrank: „Make America great again!“ Ein ironischer Scherz vielleicht? Wohl kaum. Auf der anderen Seite der Küche sind auf einem Regal wie Trophäen drei leergetrunkene Flaschen „Trump“-Wein aufgebaut, in der erst halb ausgeräumten Wohnung finden sich weitere Trump-Devotionalien. Schlagartig kapiert man: Trump ist kein schlechter Traum. Er ist ein realer Teil Amerikas.

Fox-News als konservativer Trum-Unterstützer

„Das liberale Washington ist immer noch geschockt“, sagt die Maklerin später bei der Fahrt zur nächsten Wohnung. Der anti-intellektuelle Affekt, der sich nun überall breit mache, sei einfach unfassbar. Ob sie selbst denn einen Trump-Wähler kennt? Sie zögert kurz. „Mein Vater“, antwortet sie dann. Persönlich gehe es ihm durchaus gut. Aber in den letzten Jahren habe sich bei ihm festgesetzt, dass alles im Land in die falsche Richtung läuft: „Wahrscheinlich, weil er nur Fox-News schaut.“

Trump sorgt für interne Familien-Konflikte

Und ist er nun mit seiner Regierung zufrieden? „Ich weiß es nicht“, sagt die Maklerin: „Wir können seit der Wahl nicht mehr miteinander reden.“
Auch andere Amerikaner erzählen, dass das Trump-Thema in privaten Konversationen tabu ist. Weil man keinen erbitterten Streit haben will.
Zweieinhalb Stunden nur dauert der Flug von Washington ins sonnige Florida, wo der Präsident fast jedes Wochenende verbringt. Dort befindet sich nicht nur das exklusive Winterdomizil des einstigen Immobilienunternehmers, sondern auch eine große Wählergemeinde. „Wo kommen Sie her?“, möchte die freundliche Mittsechzigerin wissen, während man an der Theke eines Restaurants auf einen Tisch wartet. „Deutschland? Oh, wie schön!“ Die Frau stößt ihren Mann auf dem Nachbarhocker an, der bis dahin eher das Baseballspiel im Fernsehen verfolgt hat.

Während Sue gleich beginnt, auf einem Zettel sämtliche Sehenswürdigkeiten zu notieren, die man sich auf Sanibel Island unbedingt anschauen müsse, führt Jack das Gespräch weiter. „Was denken Sie: Wird Merkel es noch lange machen?“, möchte der wohlsituierte Rentner wissen. Doch so richtig interessiert ihn die Antwort nicht. „Merkel hat riesige Fehler gemacht“, erklärt er: „Diese Menschen passen einfach nicht hierher. Ihr werdet Euer Land nicht wiedererkennen.“ Ob der Deutsche deswegen in die USA umziehen wolle, möchte er wissen. Alle Versuche, mit einer Erwiderung dazwischenzukommen, scheitern. Jack redet sich immer mehr in Rage. Irgendetwas hat sich seit langem aufgestaut.

„Oh boy“, stöhnt er schließlich: „Ihr steckt ganz schön in der Scheiße!“
Wenn die Urteile so fest betoniert sind, scheint ein Austausch unmöglich. Ein paar Tage später geht es nach Manhattan. Dort trennen nur wenige Blocks an der Fifth Avenue den 58-stöckigen Trump Tower, in dessen obersten Etagen Trumps Ehefrau Melania lebt, von der Buchhandlung Barnes & Noble.

„Fahrenheit 451“, „1984“ und „It can't happen here“

In dem mit rotem Granit, falschem Gold und Plastikpflanzen ausgestatteten Foyer des protzigen Wolkenkratzers kaufen Touristen weiße Teddybären, Bodylotion oder Kaffeebecher mit dem Logo des Milliardärs. Vor der Trump Bar werden lustige Selfies geschossen. Der schmucklose Buchladen weiter im Süden hat ein etwas anderes Angebot zusammengestellt. In einem zentralen Regal werden Bücher präsentiert, „über die wir sprechen“: Ray Bradbyris 1953 veröffentlichter Zukunftsroman „Fahrenheit 451“ über ein Land, in dem es verboten ist, Bücher zu lesen. Daneben die ebenfalls finstere Zukunftsvision „1984“ von George Orwell, die in einem totalitären Überwachungsstaat spielt und Sinclair Lewis‘ bereits 1935 veröffentliche Warnung vor dem Einbruch des Faschismus in den USA: „It can’t happen here“. 

Keine besonders unterhaltsame Lektüre. Ganz besonders beworben wird aber der neu erschienene „Trump Überlebenshelfer“, der unter anderem das Engagement in zivilgesellschaftlichen Protestorganisationen, Boykotte und das Verfassen von Petitionen empfiehlt. „Es werden vier lange und aufreibende Jahre (falls wir überleben)“, hat Buchhändler Phil in einer handschriftlichen Empfehlung dazu notiert: „Lesen Sie dieses Buch, bevor es zu spät ist!“

„Washington? Sie werden es dort hassen!“

Derart apokalyptische Visionen würden die Trump-Anhänger als Bestätigung für ihre These von der Wirklichkeitsverdrehung durch linke Intellektuelle und Mainstream-Medien werten. Die Trumpianer hingegen plagen ganz andere Horrorvorstellungen.

„Wo werden Sie denn künftig wohnen?“, fragt Thekennachbar Jack auf Sanibel Island den vermeintlichen Deutschland-Flüchtling beim zweiten Bier.
„In Washington.“
Er kann die Antwort kaum fassen.
„Washington? Sie werden es dort hassen!“, prophezeit er mitleidig.