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Deutschlandbesuch Deutschlandbesuch: Barack Obama wird Angela Merkel als Partner fehlen

Von Damir Fras 23.04.2016, 08:13
Barack Obama und Angela Merkel im vergangenen Jahr in Elmau.
Barack Obama und Angela Merkel im vergangenen Jahr in Elmau. dpa

Washington/Berlin - Am Anfang war Skepsis. Als knapp 200.000 Menschen im Frühsommer 2008 einem gewissen Barack Obama vor der Siegessäule zujubelten, war Bundeskanzlerin Angela Merkel wenig begeistert. 

Fast acht Jahre später  kommt Obama zu einer Art Abschiedsbesuch nach Deutschland. Freunde sind Angela Merkel und Barack Obama immer noch nicht  geworden, aber es ist Vertrauen gewachsen, eine stabile Partnerschaft, in der sich jeder auf den anderen verlassen kann. Merkel und Obama werden bei dessen  fünften und letzten offiziellen Besuch in Deutschland die Hannover-Messe eröffnen, freundliche Worte für einander finden und um die Wette lächeln. Aber das letzte Quäntchen Herzlichkeit wird nicht zu sehen sein. Denn beiden ist eine grundsätzliche Skepsis zu eigen. Sie wissen: In der Politik sind falsche Freundschaften häufiger als ehrliche Partnerschaften. 

Merkel vermutete mehr Schein als Sein

Schon kurz nach Obamas Amtsantritt im Januar 2009 ließ Merkel erkennen, dass sie das Gewese um den wie einen Popstar gefeierten neuen Präsidenten in Washington nicht goutierte. So berichtete der damalige US-Botschafter in Berlin nach Washington, der Kanzlerin gefalle die Atmosphäre nicht, die das Obama-Phänomen umgebe. Das sollte wohl ausdrücken, dass die Kanzlerin mehr Schein als Sein im amerikanischen Neu-Präsidenten vermutete. 

Doch mit der Zeit stellten beide womöglich selber überrascht fest, welche Gemeinsamkeiten sie haben. Die Karrieren der ostdeutschen Physikerin und des schwarzen US-Juristen erzählen die gleiche Geschichte. Beide haben sich dann als Außenseiter durchgebissen, bis sie ganz oben waren. Das schafft einen ähnlichen Erfahrungshorizont, eine ähnliche Menschensicht. Auch ihr Politikstil gleicht sich. Sie sind sich in ihrer pragmatischen, abwägenden Art zu politischen Einschätzungen und Entscheidungen zu kommen, sehr nahe. Sie sind vorsichtig, scheuen unnötige Risiken, bleiben gern auf Distanz. 

Bush ging Merkel auf die Nerven

Wenig ging Angela Merkel mehr auf die Nerven als die kumpeligen Sympathiebekundungen von Obamas Vorgänger George W. Bush. Das ist mit Obama völlig anders. Selbst seinen Pathos, ein unverzichtbarer Bestandteil amerikanischer Politikkultur und Merkel vollkommen fremd, setzt er vergleichsweise gebremst und sehr gezielt ein, manchmal auch mit Angela Merkel als Thema. 

Wie sehr viele Amerikaner ist er begeistert von ihrem Lebensweg aus der kommunistischen Diktatur an die Spitze einer amerikanisch geprägten Demokratie. Solche Geschichten lieben die Amerikaner. Sie ist die Personifizierung des Sieges der westlichen Idee über den Kommunismus. Immer wieder hat Obama sich diese Erzählung zu Nutze gemacht, um für seinen Begriff der Freiheit zu werben. 

Auf Augenhöhe

Merkel und Obama hatten vielleicht einen schlechten Start. Aber sie haben einiges daraus gemacht. Das hat auch mit einer erstaunlichen Entwicklung der CDU-Vorsitzenden zu tun. Aus der Oppositionsführerin, die sich 2003 noch an die Seite des Kriegspräsidenten George W. Bush stellte, um ihrem Widersacher Gerhard Schröder im Kanzleramt zu schaden, wurde eine Bundeskanzlerin, die das militärische Abenteuer ebenso scheut wie der amtierende US-Präsident.  

Auch bedachte Obama die deutsche Kanzlerin mit einer der höchsten zivilen Ehrungen, die das US-Protokoll kennt. Angela Merkel wurde im Juni 2011 in Washington die Freiheitsmedaille verliehen. Das war wohl der herzlichste Augenblick, den es zwischen Merkel und Obama je gegeben hat. „It's Angela and Barack now“, verkündete die Washington Post am Morgen nach dem festlichen Dinner im Weißen Haus als wichtigste Nachricht. Wenn Amerikaner mit dem sonst schnell benutzten Du so lange warten, ist es am Ende ein besonderer Vertrauensbeweis. Die deutsche Kanzlerin war nun auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten. 

NSA-Skandal rüttelt am Vertrauen

Doch als öffentlich wurde, dass der US-Geheimdienst NSA auch das Mobiltelefon der Kanzlerin - und nicht nur das - abgehört hat, war die Herzlichkeit schnell verflogen. Der Abhörskandal und die eher desinteressierte Reaktion in Washington hat die USA und Deutschland entfremdet. Zudem hat der auf Hawaii geborene Barack Obama, der einige Jahre in Indonesien lebte, den Blick der einzig verbliebenen Supermacht über den Pazifik gerichtet.

Innerhalb Europas aber gehört die deutsche Regierungschefin zu den wenigen Politikern, die Obama wirklich schätzt, denen er sogar vertraut. Denn die USA als einzig verbliebene Weltmacht können denoch nicht mehr allein das globale Geschehen bestimmen. Ihr entscheidender Partner  wird auf lange Zeit Europa bleiben. Die über Jahrhunderte gewachsene Wertegemeinschaft ist im Zweifel verbindender als noch so große, von China oder Indien ausgehende ökonomische Interessen und Abhängigkeiten. 

Merkel beeindruckt Obama

Europa aber ist ohne Deutschland kaum handlungsfähig, und Obama fand hier keinen erfahreneren, berechenbareren und zuverlässigeren politischen Führer als Angela Merkel.  So hat er ihr fast allein das Krisenmanagement im Ukraine-Konflikt mit Russland überlassen. Zuletzt hat Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik Eindruck bei Obama gemacht, dem die heimische Opposition schon die Aufnahme von 10 000 Syrern verweigern möchte.

Wenn sich Merkel und Obama am Sonntag in Hannover treffen, wird sich vielleicht auch ein Hauch von Melancholie über ihre Gespräche legen. In Zeiten großer internationaler Unruhe wussten sie immerhin, was sie aneinander hatten.  Keine Frage, dieser Partner wird Angela Merkel fehlen. Jetzt verabschiedet er sich von der Weltbühne. Seine Amtszeit dauert nur noch wenige Monate. Im Falle der Bundeskanzlerin lässt sich das noch nicht sagen.

Der Zeitplan für Obamas Abschiedsbesuch

Zu seinem letzten bislang geplanten Deutschland-Besuch als US-Präsident kommt Barack Obama an diesem Wochenende nach Hannover, wo die weltweit bedeutende Industriemesse eröffnen wird. Ihr Partnerland ist in diesem Jahr die USA. Anlässlich dessen trifft Obama auch Angela Merkel und andere europäische Staatschefs.

Samstag: Am Tag vor Eintreffen Obamas bereiten ihm die Gegner des Freihandelsabkommens TTIP in Hannovers Innenstadt einen Protestempfang: Ein Bündnis aus mehr als 130 Umwelt- und Verbraucherschutzgruppen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Kirchen erwartet für den frühen Nachmittag Zehntausende Demonstranten „für einen gerechten Welthandel“ und für den Stopp von TTIP.

Sonntag: Obama kommt auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen an, am Nachmittag empfängt ihn Merkel mit militärischen Ehren zu einem Zweiergespräch im Schloss Herrenhausen im Nordwesten der Stadt. Bei dem deutsch-amerikanischen Gespräch soll es um alle aktuellen Themen gehen, neben Syrien und Russland wohl auch um TTIP. Um 18 Uhr eröffnen beide die Hannover-Messe mit Reden im Hannover Congress Centrum (im Osten der Stadt), auch zahlreiche deutsche und US-Minister zu Gast. Am Abend kehren sie nach Herrenhausen zurück und dinieren mit Wirtschaftsvertretern aus beiden Ländern.

Montag:Morgens unternehmen Obama und Merkel einen Messerundgang, mittags hält Obama eine weitere Rede auf dem Messegelände. Nachmittags kommen auf Einladung Merkels die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Italien, Hollande, Cameron und Renzi, nach Hannover, um in der Fünferrunde mit Obama zu reden. Anlass sei dessen Europa-Besuch, Themen seien „aktuell drängende internationale Fragen“ wie die Flüchtlingskrise, die Konflikte in Syrien, Libyen und zwischen Russland und der Ukraine. Am Nachmittag verlässt Obama Deutschland. (sgey.)