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Terrorangriffe in Nahost Deutsche von Hamas entführt - Evakuierungsflüge

Hamas-Terroristen haben 150 Geiseln in ihrer Gewalt, darunter auch fünf Deutsche. Die Bundesregierung plant erste Evakuierungsflüge für Bundesbürger in Israel. US-Außenminister Blinken reist nach Israel.

Von dpa 10.10.2023, 11:41
Israelische Soldaten durchsuchen das Gebiet um den Kibbuz Kfar Aza, in dem die Hamas zahlreiche Menschen tötete.
Israelische Soldaten durchsuchen das Gebiet um den Kibbuz Kfar Aza, in dem die Hamas zahlreiche Menschen tötete. Ilia Yefimovich/dpa

Tel Aviv/Gaza/Berlin/Washington - Bei ihrem Großangriff auf Israel haben Hamas-Terroristen auch mindestens fünf Deutsche entführt. Eine Deutsche wurde getötet, wie das ZDF berichtete. Die ebenfalls von dem Sender stammende Information über die fünf entführten Bundesbürger wurden der Deutschen Presse-Agentur aus parlamentarischen Quellen bestätigt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versicherte in den ARD-„Tagesthemen“, dass ihr Amt rund um die Uhr an der Befreiung der Entführten arbeite.

Die Lufthansa wird am Donnerstag und Freitag mehrere Sonderflüge zur Evakuierung von Deutschen aus Israel durchführen. Das wurde aus dem Auswärtigen Amt mitgeteilt. Es soll sich um vier Flüge pro Tag handeln. Das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amts hatte zuvor unter Hochdruck mit Fluggesellschaften darüber verhandelt, Flugkapazitäten zu erweitern.

US-Außenminister fliegt nach Israel

Nach den Terrorattacken der Hamas wird US-Außenminister Antony Blinken nach Israel reisen. Blinken werde voraussichtlich am Donnerstag dort eintreffen, kündigte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, in Washington an. Blinken wolle sich mit den israelischen Partnern über die Lage austauschen und erörtern, wie man Israel „im Kampf gegen die Terroristen, die diese schrecklichen Anschläge“ verübt hätten, am besten unterstützen könne.

US-Präsident Joe Biden hatte zuvor deutlich gemacht, dass die USA seit Beginn der Krise in ständigem Austausch mit den israelischen Partnern und Verbündeten in der Region und auf der ganzen Welt stünden. Der US-Präsident bestätigte, dass unter den von Hamas-Terroristen verschleppten Menschen auch US-Amerikaner seien. Eine Zahl nannte er nicht. Mindesten 14 US-Bürger seien ums Leben gekommen, 20 würden vermisst, hieß es aus dem Weißen Haus.

Biden will Israel helfen

Der US-Präsident machte klar, Israel mit zusätzlicher Militärhilfe ausstatten zu wollen - entsprechende Unterstützung werde er auch beim US-Kongress beantragen. „Wir müssen in diesem Moment glasklar sein: Wir stehen an der Seite Israels“, betonte Biden. Die USA und Israel verbindet traditionell eine enge Freundschaft. Die USA unterstützen Israel mit Milliardensummen - davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen.

Einem Medienbericht zufolge hat das israelische Militär bereits erste Munition aus amerikanischen Beständen erhalten. Ein erstes Transportflugzeug mit „hochentwickelter“ amerikanischer Munition sei in der Nacht auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim im Süden Israels gelandet, berichtete die israelische Internet-Zeitung „The Times of Israel“ unter Berufung auf die israelischen Verteidigungskräfte (IDF). Die Munition ermögliche „bedeutende Angriffe und Vorbereitungen für weitere Szenarien“.

Hamas entführte insgesamt 150 Menschen aus Israel

Nach Angaben der israelischen Armee entführte die Hamas etwa 150 Menschen in den Gazastreifen. Die islamistische Hamas ist von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft.

Die Regierungen in Berlin und Paris arbeiten eng mit den Behörden in Israel zusammen, um den Verbleib ihrer Bürger und Bürgerinnen zu klären, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Hamburg in einer Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte. Nach Auskunft des Außenministeriums in Paris wurden acht Franzosen getötet, 20 werden vermisst.

Plant Israel eine große Militäroperation?

Die israelische Armee hat inzwischen rund 300.000 Reservisten einberufen und plant offensichtlich eine großangelege Militäroperation. Der Gazastreifen am Mittelmeer ist rund 40 Kilometer lang und zwischen sechs und zwölf Kilometer breit. Dort leben etwa zwei Millionen Menschen.

Der Hamas-Angriff hatte Israel am jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) am Samstag unvorbereitet getroffen. Die Zahl der Toten in Israel ist Medienberichten zufolge inzwischen auf mindestens 1200 gestiegen. Das berichtete der israelische Sender Kan am frühen Mittwochmorgen. Mindestens 3000 weitere seien verletzt worden. Auch die „Jerusalem Post“ und andere Medien meldeten diese Zahlen unter Berufung auf den Sender. Die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) selbst bezifferten die Zahl der Todesopfer auf israelischer Seite auf mehr als 1000.

Israel reagierte mit Luftangriffen auf den Gazastreifen, bei denen laut dortigem Gesundheitsministerium 900 Menschen starben, 4500 Menschen wurden verletzt. Nach Angaben des israelischen Militärs führten die Streitkräfte „weiterhin großangelegte Angriffe auf Terrorziele der Hamas-Terrororganisation im Gazastreifen durch.“

Auch in der Nacht zum Mittwoch setzte die israelische Luftwaffe ihre Gegenschläge fort. Dutzende Kampfjets hätten mehr als 200 Ziele im Gebiet Al-Furqan angegriffen, teilten die IDF am frühen Morgen mit. Zum dritten Mal innerhalb von 24 Stunden seien umfangreiche Angriffe im Gazastreifen durchgeführt worden. Dabei seien mehr als 450 Ziele getroffen worden. Al-Furqan, ein Viertel im nördlichen Gazastreifen, werde von der Hamas als Terrorzentrum genutzt. Von dort aus würden zahlreiche Terroranschläge gegen Israel verübt, erklärten die IDF.

Wieder Raketenalarm in Tel Aviv

Gestern hatte die Hamas wieder Raketen auf die Küstenmetropole Tel Aviv und das Zentrum des Landes gefeuert. Es waren Explosionen des Raketenabwehrsystems Eisenkuppel (Iron Dome) zu hören. Laut Armee gab es wieder Gefechte mit bewaffneten Angreifern aus dem Gazastreifen.

Israel droht im Norden zweite Front

Israel wurde nicht nur vom Gazastreifen aus angegriffen, sondern auch aus dem Süden des Libanons. Schon am Montag war es dort zu Gefechten mit Bewaffneten gekommen. Dabei seien der Vize-Kommandeur der 300. Brigade, Oberstleutnant Alim Abdallah, sowie zwei israelische Soldaten getötet worden, teilte die Armee mit. Die Sorge ist groß, dass dort eine zweite Front entstehen könne, wenn die ebenfalls mit dem Iran verbündete und hochgerüstete Schiitenorganisation Hisbollah Israel aus dem Libanon mit Raketen beschießen sollte.

Vereinte Nationen fordern, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten

Es gebe klare Anzeichen für Kriegsverbrechen, betonte eine Kommission des UN-Menschenrechtsrates in Genf. „Zivilisten als Geiseln zu nehmen und als menschliche Schilde zu benutzen, sind Kriegsverbrechen.“

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sagte in Richtung der Regierung in Jerusalem, die angeordnete Abriegelung des Gazastreifens sei nicht mit dem Völkerrecht zu vereinbaren.

Israel reagierte scharf auf die Kritik Türks. Angesichts der vielen Opfer könne sich der Hochkommissar nicht durchringen, „diese barbarischen Taten als Terrorismus zu bezeichnen“, teilte die Vertretung Israels in Genf mit.

„Washington Post“: Angriff mit Unterstützung des Irans vorbereitet

Laut einem Bericht der „Washington Post“ wurde der Angriff seit mindestens einem Jahr und mit Unterstützung des Irans vorbereitet. Die Planungen hätten mindestens schon Mitte 2022 begonnen, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Erkenntnisse von Geheimdienst-Analysten aus dem Westen und dem Nahen Osten. Iranische Verbündete hätten militärisches Training, logistische Hilfe und Dutzende Millionen Dollar für Waffen bereitgestellt.

Die USA haben keine eindeutigen Beweise für eine direkte Beteiligung des Irans an den Angriffen der Hamas auf Israel, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, dem Sender CNN.