Deutsche Marine vor erstem Einsatz gegen Piraten
Berlin/dpa. - Die Deutsche Marine soll noch vor Weihnachten in ihren ersten internationalen Einsatz gegen Piraten geschickt werden. Das Bundeskabinett billigte die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission «Atalanta» in einem 500 Seemeilen großen Gebiet vor Somalias Küste und im Golf von Aden.
Das teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch in Berlin mit. Das Auswärtige Amt gab für das Seegebiet wegen der Piratengefahr eine Reisewarnung heraus.
Die Marine soll mit einer Fregatte und bis zu 1400 Soldaten zum Einsatz kommen und mit einem «robusten Mandat» ausgestattet werden. Damit darf sie auch mit Waffengewalt gegen die Seeräuber vorgehen. Den endgültigen Beschluss fällt der Bundestag am 19. Dezember. Die Zustimmung gilt als sicher. Das Mandat soll zunächst ein Jahr dauern. Die deutsche Fregatte «Karlsruhe» ist bereits im Einsatzgebiet und könnte direkt nach dem Parlamentsentscheid in die Mission starten. Die Kosten des Einsatzes belaufen sich auf 45 Millionen Euro.
Zur Begründung für den Einsatz gab die Bundesregierung an, die internationale Hilfe für die notleidende Bevölkerung in Somalia sowie die Handelsroute durch das Seegebiet vor Somalia und den Golf von Aden müssten gesichert werden. Mit «Atalanta» sollen Geiselnahmen und Lösegeldforderungen verhindert werden. Die Regierung mahnte aber, die Operation entlaste nicht die Reedereien von ihrer Eigenverantwortung für eine sichere Schiffspassage und die Sicherheit der Passagiere. Ein umfassender Schutz in dem Seeraum sei mit dem derzeitigen internationalen Kräfteaufgebot nicht zu garantieren.
Dem Hapag-Lloyd-Kreuzfahrtschiff «MS Columbus» hatte die Bundesregierung Geleitschutz durch den Golf von Aden verweigert, weil es nicht unter deutsche Flagge fährt. Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Ernst Hinsken (CSU), sagte, dass «Atalanta» in erster Linie dem Schutz der Handelsschifffahrt und weniger der Passagierschifffahrt gelte. Er betonte aber im Fernsehsender N24: «Es ist Ziel der Bundesregierung, dass in Zukunft auch Kreuzfahrtschiffe den gleichen Status bekommen wie Handelsschiffe.»
Dagegen sagte Wilhelm, erstes Ziel sei, Schiffe des Welternährungsprogramms (WEP) vor Piraten zu schützen. Dazu sollen auch Soldaten an Bord dieser Schiffe sein dürfen. 90 Prozent der WEP- Lieferungen kämen über den Seeweg. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist mehr als ein Drittel der somalischen Bevölkerung auf Hilfe angewiesen. Damit gehört das Land zu den größten humanitären Krisengebieten weltweit. Hilfsorganisationen hätten wegen der Gefahrenlage ihre Arbeit eingeschränkt. Und damit wiederum reduziert sich auch die internationale Finanzhilfe - auch aus Deutschland.
Das Seegebiet gilt auch als wichtigste Seehandelsverbindung zwischen Europa, der arabischen Halbinsel und Asien. Nach Angaben der Internationalen Handelskammer Deutschland (ICC) fahren jährlich rund 25 000 Schiffe durch diese Wasserstraße. Allein in diesem Jahr wurden bereits rund 100 Handels- und Privatschiffe gekapert.
Der Wehrbeauftragter des Bundestages, Reinhold Robbe, sagte N24, dass das Piraten-Problem nicht «mit den Mitteln gelöst werden kann, die jetzt aufgefahren werden». Man müsse nach den Ursachen fragen und die Handlungsfähigkeit der Staaten wie Somalia fördern, damit diese ihrer Bevölkerung wieder eine Perspektive bieten könnten. «Sonst macht dieser Einsatz, fürchte ich, langfristig keinen Sinn.» Auch der Linke-Abgeordnete Paul Schäfer sagte, die Bundesregierung selbst habe als Hauptursache der Piraterie Instabilität und mangelnde staatliche Strukturen in der Region identifiziert. «Dem mit Kriegsschiffen abhelfen zu wollen, ist allerdings ein absurder Gedanke.»
Die EU hatte mit der Mission am Montag begonnen. Insgesamt werden sechs Kriegsschiffe und drei Aufklärungsflugzeuge eingesetzt. Rechtsgrundlage für das internationale Vorgehen sind der Beschluss des EU-Rates, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UN) von 1982 sowie mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrat aus 2008.