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Deutsche Geschichte Deutsche Geschichte: DDR-Bürger mit Lebensmittelmarken im HO versorgt

Von Gudrun Janicke 27.05.2008, 08:41
Vor einem Lebensmittelgeschäft der Handelsorganisation (HO) in Berlin-Köpenick hat sich Ende der 1940er Anfang der 1950er Jahre eine lange Menschenschlange gebildet. (Foto: dpa)
Vor einem Lebensmittelgeschäft der Handelsorganisation (HO) in Berlin-Köpenick hat sich Ende der 1940er Anfang der 1950er Jahre eine lange Menschenschlange gebildet. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Rationierte Warenwie Fleisch, Fett und Zucker waren nun wieder frei verkäuflich. Inder Bundesrepublik geschah das bereits 1950. In der DDR ging derWegfall jedoch mit Preiserhöhungen für viele Grundnahrungsmitteleinher.

«Den längst überfälligen Schritt hatte die DDR-Führung immerwieder hinausgeschoben», sagt André Steiner, Professor fürWirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Potsdam. «SEDund DDR-Staat hatten große Angst, den Bedarf an Grundnahrungsmittelnbei Wegfall der Rationierung nicht decken zu können.» DieLandwirtschaft im Osten hinkte noch bis Mitte der 1960er Jahre demVorkriegsniveau hinterher. Bodenreform und ständige Umgestaltungenließen die Produktivität nicht steigen.

«Dazu hatten andere sozialistische Länder Versorgungsengpässe undkonnten nicht mit Lebensmitteln aushelfen», erinnert Steiner. VomWesten wollte sich die DDR um keinen Preis abhängig machen. Außerdemfehlten für Importe die Devisen. «Ökonomisch wäre es notwendiggewesen, die Preise anzuheben. Aber mit dem sozialen Anspruch einerbesseren Gesellschaft als der im Westen war das nicht vereinbar»,meint der Wissenschaftler.

Lebensmittelkarten bekam man in besonderen Ausgabestellen - alleinim damaligen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gab es Dutzende. Dortwurden auch die DDR-Bürger in Kategorien eingeteilt. 1947 gab es zumBeispiel in der «V» für die «nicht arbeitende Bevölkerung» pro Tag:300 Gramm Brot, 20 Gramm Fleisch, 7 Gramm Fett, 30 Gramm Nährmittel,20 Gramm Zucker und 400 Gramm Kartoffeln. Im Deutschen HistorischenMuseum in Berlin werden einige Exemplare gezeigt. «Sie dokumentieren,mit wie wenig Nahrung man auskommen musste», sagt der HistorikerAndreas Michaelis, der sich mit DDR-Relikten beschäftigt.

«Die Papiere waren Gold wert», berichten Zeitzeugen. Gingen sieverloren, war Schmalhans Küchenmeister, denn Ersatz gab es nicht.«Die Mutter musste sehen, was sie dann auf den Tisch brachte»,erzählt eine 73-jährige Berlinerin. Sie hatte einmal beim Einkaufendie Marken verbummelt.

Nach den Aufständen am 17. Juni 1953 - Regimekritiker wurden auchmit Entzug der Marken abgestraft - hatte SED-Chef Walter Ulbrichtnoch betont, dass an an dem Kartensystem festgehalten werde. «1958sollte nun innerhalb von drei Jahren die Bundesrepublik im Pro-Kopf-Verbrauch der wichtigsten Nahrungsmittel und Industriewaren überholtwerden», erzählt Steiner. Um glaubwürdig zu sein, musste dieRationierung fallen.

Mit der Abschaffung wurde ein einheitliches Preissystem fürNahrungsmittel eingeführt. Sie wurden teurer als mit Karten, aberbilliger als in den Geschäften der Handelsorganisation HO, die denSchwarzmarkt bekämpfen sollten. Im ersten HO-Laden in der BerlinerFrankfurter Allee mussten für 500 Gramm Zucker 1,45 Mark gezahltwerden - mit Karte nur 0,54 Mark.

Als Ausgleich für höhere Preise wurden immerhin Zuschläge geboten.Bei Lohn- und Gehaltsempfängern mit einem Einkommen unter 410 Markgab es 14 Mark im Monat, für Rentner 9 Mark. Handwerker, privateUnternehmer und Angehörige der sogenannten freischaffendenIntelligenz gingen leer aus, ebenso wie Grenzgänger, die im Ostenwohnten und im Westen arbeiteten.

In Westdeutschland endete im Frühjahr 1950 die Reglementierung.Die Währungsreform fast zwei Jahre zuvor und das beginnendeWirtschaftswunder ermöglichten hier elf Monate nach Gründung derBundesrepublik die Rückkehr zur Normalität. In der DDR blieben diefestgelegten Preise aufgrund staatlicher Subventionen zum großen Teildie nächsten 40 Jahre bis zum Zusammenbruch des Arbeiter- undBauernstaates bestehen. Die Bockwurst gab es für 80 Pfennige und dasdazugehörende Brötchen für fünf Pfennige - bis zum Ende der DDR.