Deutsch-deutsche Geschichte Deutsch-deutsche Geschichte: Ex-Stasi-Offizier präsentiert seine Erinnerungen

Berlin/dpa. - Stasi-Oberst a. D. Peter Pfütze hat seine Sichtder Dinge zu Papier gebracht. Sein Buch «Besuchszeit» stieß bei derVorstellung am Mittwoch auf Empörung bei früheren DDR-Häftlingen, dieneben Ex-Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) inein Berliner Hotel gekommen waren. «Widerlich, grotesk - die DDR istdoch nicht an Humanitätsduselei eingegangen», riefen sie. Und wurdenvon zahlreich erschienenen Ex-Stasi-Leuten mit Gegenrufen in dieSchranken gewiesen. Auch das Buch des früheren Stasi-Oberst GottholdSchramm «Der Botschaftsflüchtling» stieß bei den Opfern auf Protest.
Peter Pfütze, Jahrgang 1933, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.«Obwohl bis heute behauptet wird, dass in den MfS-Haftanstaltenschlimme Dinge passiert sind, das war nicht so - in keiner derAnstalten wurde misshandelt oder geschlagen.» Es sei aber auch klar,dass eine Haft kein Sanatorium sei. Nachdenkliche oder kritische Tönekamen bei Pfütze nicht auf bei der Buchpremiere im Hotel «Ramada»,auf dessen Gelände früher das Ledigenwohnheim der Staatssicherheitstand.
Der mehr als selbstbewusste Auftritt von Stasi-Leuten ist keinEinzelfall. Erst vor kurzem hatten sie bei einer Diskussion imfrüheren Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen Opferverhöhnt. Mehr als 16 Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR tretennach Ansicht der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen,Marianne Birthler, frühere Stasi-Offiziere immer offener undoffensiver in Erscheinung. Dies sei alarmierend, denn die SED-Diktatur sei nicht harmlos gewesen. Sie beklagt, dass sich die Stasi-Offiziere von einst wieder organisiert hätten.
Die Bücher sind in der Edition Ost der Eulenspiegel Verlagsgruppeerschienen. Der frühere Chef der MfS-Hauptverwaltung Aufklärung,Markus Wolf, kam nicht wie angekündigt - aus gesundheitlichenGründen. Pfütze war zuständig für die Kontakte mit der StändigenVertretung der Bundesrepublik bei der DDR, deren Mitarbeiter zwischen1974 und 1989 rund 550 inhaftierte Westdeutsche oder Westberliner imDDR- Gefängnis besuchten. Es sei immer korrekt zugegangen bei denrund 3400 Visiten, man habe sich mit den Westdiplomaten in besondererMission auch ein schönes Wochenende gewünscht, erzählte Pfütze.
Die Inhaftierten hätten nur auf Besserung ihrer Lage hoffenkönnen, wenn sie ein volles Geständnis ablegten. Da seien viele zurZusammenarbeit bereit gewesen. «Stimmt nicht, ich habe nichtgestanden, ich habe neun Jahre und acht Monate wegen Fluchthilfeabgesessen», rief der 58-jährige Dietrich Köster dazwischen.
Im Vorwort zu seinen Memoiren wird Pfütze noch deutlicher: Nach1989 habe der Grusel seine Kabinette erhalten, «Gedenkstättengenannt, sowie Propagandainstitutionen, Bundesbehörden undAufarbeitungsgremien. Sie alle hatten und haben ein Ziel: denuntergegangenen Staat im Nachgang zu diskreditieren, ihn zukriminalisieren und damit zu delegitimieren. Das lässt sich dieherrschende Klasse der Bundesrepublik einiges kosten. Selbst dieeigene Glaubwürdigkeit.»
Auch der frühere Oberst Schramm bekannte sich am Mittwoch zuseiner Vergangenheit. In seinem Buch hat er «Agentengeschichten»zusammengestellt, die auch die Arbeit des Stasi-Ministeriumswiderspiegeln. Er sei zur Aufarbeitung der Vergangenheit bereit, aberdie Stasi-Mitarbeiter dürften nicht in eine Ecke gestellt werden,sagte er zu einem entsprechenden Angebot eines Historikers derGedenkstätte Hohenschönhausen. «Kommen Sie zur Vernunft», donnerte erden Kritikern entgegen.
Werner Großmann, der frühere Stellvertreter von Stasi-Chef ErichMielke, sagte am Rande, das MfS sollte den Schutz und die Sicherheitder DDR gewährleisten. «Die DDR war ein souveräner Staat,entsprechend der Gesetze haben die MfS-Mitarbeiter gehandelt»,betonte Großmann, der zuvor regungslos im Publikum gesessen hatte. Obes Menschenrechtsverletzungen im Arbeiter-und Bauernstaat gab?«Generell nein, in Einzelfragen möglicherweise ja», sagte derergraute, letzte DDR-Spionagechef.