Der Jamaika-Check Der Jamaika-Check: Diese Differenzen könnten eine Koalition im Bund verhindern

Berlin - „Niemals mit den Grünen“, rief die CSU vor der Wahl, es gebe gar keine Schnittmengen. Es fehle ihnen die Fantasie, sich ein Bündnis vorzustellen, sagten FDP und Grüne über die jeweils andere Partei vor der Wahl. Nun ist die Wahl vorbei, die SPD will vorerst in die Opposition, und es sieht plötzlich – in Ermangelung anderer Optionen - nach einer schwarz-grün-gelben Koalition aus. Es kann Wochen oder sogar noch Monate dauern, bis eine neue Regierungskoalition zustande kommt. Und selbst, wenn sich die Parteispitzen einig sein sollten, könnten Mitgliederentscheide bei Grünen und FDP ein Bündnis zum Scheitern bringen. Ohnehin sind die Bruchlinien schon klar erkennbar: Einwanderungspolitik, Klimaschutz, Europa. Der Jamaika-Check zeigt: CDU, CSU, Grüne und FDP müssten sich inhaltlich zum Teil schwer verrenken, um Kompromisse zu finden:
Asylpolitik
Die CSU verlangt eine Obergrenze, mit der festgelegt wird, wie viele Flüchtlinge ins Land gelassen werden. Die CDU hat sich im Wahlkampf jedoch festgelegt: Eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr, wie sie die CSU verlangt, um damit die AfD bei der Landtagswahl in Bayern im kommenden Jahr klein zu halten, soll es nicht geben. Das sehen auch Grüne und FDP so. Eine Kompromisslinie ist nicht erkennbar, zumal zwischen Grünen und der CSU auch erhebliche Meinungsunterschiede bestehen, welche Staaten jenseits der EU-Außengrenzen als sichere Drittstaaten gelten sollen. Möglicherweise würde die CSU aber von ihrer harten Linie abrücken, wenn sich die Parteien auf eine Beschleunigung der Abschiebungen einigen und den Zuzug beschränken, ohne dabei den Begriff Obergrenze zu verwenden.
Einwanderungspolitik
Grünen und FDP fordern ein Einwanderungsgesetz, das es in Deutschland bislang nicht gibt. Vor allem die CSU tut sich traditionell schwer damit, ein Gesetz zu formulieren, das den Status Deutschlands als Einwanderungsland festschreiben würde. Grüne und FDP haben auch, anders als die CSU, kein Problem mit der doppelten Staatsbürgerschaft. Die CDU steht in der Mitte, könnte wahrscheinlich sowohl mit den Positionen der Schwesterpartei CSU als auch mit jenen von FDP und Grünen umgehen. Weil es bei der Formulierung von Einwanderungsbedingungen genügend Stellschrauben gibt, sind hier Kompromisse denkbar.
Klimaschutz
Hier läuft die Bruchlinie zwischen der Union und der FDP auf der einen Seite und den Grünen auf der anderen Seite. Die Grünen haben im Wahlkampf erklärt, in keine Koalition eintreten zu wollen, die nicht das Ende des Verbrennungsmotors festschreibt. Die CSU hat das genaue Gegenteil davon gesagt. Doch diese Gegensätze lassen sich aller Voraussicht nach überwinden. Die Grünen haben bereits signalisiert, dass nicht unbedingt eine Jahreszahl genannt werden muss, ab der es nur noch Elektroautos geben soll. Zudem ist klar: Das Ende von Diesel- und Benzinmotoren wird definitiv nicht in der nächsten Legislaturperiode kommen. Das macht es einfacher, in einem potenziellen Koalitionsvertrag etwas schwammiger zu formulieren. Die Angelegenheit bleibt allerdings ein Streitpunkt, der – ähnlich wie die Forderungen der Grünen nach einem baldigen und zeitlich festgelegtem Ausstieg aus der Kohle – in einer Viererkoalition für erhebliche Unruhe sorgen dürfte.
Europa
Die FDP will an dem strengen Sparkurs in Europa festhalten und dürfte sich damit ohne größere Schwierigkeiten an die Seite der Unionsparteien stellen können. Die Liberalen lehnen allerdings alle Reformvorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ab, also etwa die Einrichtung eines gemeinsamen Haushalts für die Eurozone oder die Einsetzung eines Euro-Finanzministers – was Merkel selbst durchaus befürwortet. In der CDU und vor allem in der CSU gibt es jedoch zahlreiche Euro-Skeptiker. Wie das mit den traditionell EU-freundlichen Grünen zusammenpassen soll, ist derzeit noch reichlich unklar. Parteichef Cem Özdemir machte am Montag nämlich noch einmal klar, dass man das Fenster der Gelegenheit, das sich mit Macron biete, nutzen müsse. Deutschland habe im Übrigen von der Griechenland-Krise profitiert. Die Grünen haben das Thema Europa erst in den letzten Tagen so richtig hoch gezogen.
Innere Sicherheit/Bürgerrechte
Hier sind sich FDP und Grüne weitgehend einig: Kein weiterer Abbau von Bürgerrechten, keine Vorratsdatenspeicherung, keine Ausbau der Videoüberwachung. Die Union – und auch hier insbesondere die CSU – wollen dagegen den Staat weiter aufrüsten, um die innere Sicherheit zu gewähren. Das dürfte für schwierige Verhandlungen sorgen. Es gibt nur in einem Punkt Konsens. Alle wollen mehr Polizei.
Bildung/Digitalisierung
Der Breitbandausbau muss forciert werden, der Bund soll mehr Möglichkeiten bekommen, Bildungsaufgaben in den Ländern zu finanzieren. Darüber gibt es grundsätzlichen Konsens zwischen Union, FDP und Grünen. Bei diesen Themen sind schnelle Kompromisse möglich.
Steuern
Konsens zwischen allen Parteien besteht über eine Entlastung der Mittelschicht. Auch das Thema Steuervereinfachung findet sich in allen Wahlprogrammen. Das gilt zudem für eine gerechte Besteuerung international tätiger Konzerne wie Apple oder Amazon. In Details gibt es unterschiedliche Positionen, aber unüberbrückbare Gegensätze sind nicht erkennbar.