Leitkommentar Der Effekt von Martin Schulz: Das aktuelle Hoch von Sachsen-Anhalts SPD ist ein importiertes

Halle (Saale) - Zu den schönsten Momenten, die der SPD-Landesvorsitzende derzeit genießen darf, zählt die Aufnahme von Parteimitgliedern. 100 Neu-Genossen sind es bereits seit Jahresbeginn, Burkhard Lischka verbreitete dieser Tage ein Foto mit einem stattlichen Stapel knallroter Parteibücher. Es geht wieder aufwärts, lautet die Botschaft.
Ist Sachsen-Anhalts Sozialdemokratie tatsächlich wieder auf Erfolgskurs? Genau ein Jahr ist es her, dass die Partei ihre schlimmste Niederlage eingefahren hat. Bei der Landtagswahl im März 2016 wurde sie mit gut zehn Prozent auf das Format einer Kleinpartei geschrumpft. Die Erzählung vom Comeback klingt schön - die Ursachen dafür liegen aber größtenteils außerhalb der Landesgrenzen.
Burkhard Lischka hat der Landes-SPD ein neues Gesicht gegeben
Ja, Lischka hat dem Landesverband ein neues Gesicht gegeben. Katrin Budde, die krachend gescheiterte Spitzenkandidatin, ist als Hinterbänklerin im Landtag aus der Schusslinie genommen. Ihr Nachfolger hat innerhalb der Partei Impulse gesetzt. Neumitglieder werden eingebunden. Die inhaltliche Neuausrichtung ist angestoßen, die SPD löst sich von der eisernen Sparpolitik Jens Bullerjahns.
Dennoch: Der Aufwärtstrend, der die SPD in Umfragen bundesweit zur Union aufschließen lässt, ist vor allem dem überraschend präsentierten Kanzlerkandidaten Martin Schulz zuzuschreiben. Schulz wurde von seiner ratlosen Partei aus dem Europaparlament in die Bundespolitik importiert, so wie der SPD-Landesverband in seiner Not mit Lischka einen Bundespolitiker wählte.
Der Schulz-Effekt ist ein Überraschungseffekt
Der vielzitierte Schulz-Effekt ist vor allem ein Überraschungseffekt. Er verschaffte der im Umfragen-Keller gefangenen Partei die Chance, wieder eigene Themen in die Öffentlichkeit zu bringen und sich neu zu positionieren - etwa beim Thema Hartz IV. Ob der Erfolg anhält, muss sich erst noch zeigen.
In Magdeburg ist die Ausgangslage weitaus schwieriger. Zwei Ministerposten hat die SPD, einen musste sie nach nur wenigen Monaten neu besetzen. Noch immer prüft ein Untersuchungsausschuss Korruptionsvorwürfe bei der Vergabe von teuren Beraterverträgen, im Visier ist vor allem Jens Bullerjahn.
Popularität hat bisher kein SPD-Abgeordneter erreicht
Entscheidend wird sein, ob die SPD von ihrer Regierungsbeteiligung profitieren kann. Wirkliche Popularität hat bislang keine der handelnden Personen erreicht. Inhaltlich fällt es der SPD schwer, Koalitionserfolge wie zusätzliche Lehrer und Polizisten oder eine bessere Ausstattung der Kommunen für sich zu verbuchen.
Nach diesem Wochenende dürfte feststehen, dass Lischka als SPD-Landeschef im Amt bleibt. Zum Landespolitiker macht ihn das nicht. Sein Hauptaugenmerk gilt Berlin. Es wäre nicht überraschend, würde er nach der Bundestagswahl im Fall einer SPD-Regierungsbeteiligung zum Staatssekretär aufsteigen.
Sachsen-Anhalts Sozialdemokraten können von ihm Rückendeckung erwarten - die Tagespolitik müssen sie allerdings ohne ihn bestreiten. Von einem Wieder-Aufstieg aus eigener Kraft, vom geschickten Nutzen landespolitischer Themen - davon ist die SPD noch weit entfernt.
(mz)
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