Marathon-Rede im US-Senat Mehr als 25 Stunden gegen Trump: Senator bricht Rekord
Er musste durchgehend stehen und war nicht einmal auf Toilette: Mit seiner Dauerrede für die Geschichtsbücher hat Cory Booker im US-Parlament ein starkes Zeichen gegen Donald Trumps Politik gesetzt.

Washington - Um 19:19 Uhr (Ortszeit) wendet sich der demokratische Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, an seinen Parteikollegen Cory Booker: „Weißt Du, dass Du gerade einen Rekord gebrochen hast?“ Auf den Zuschauertribünen, die für einen gewöhnlichen Dienstagabend ungewöhnlich gut gefüllt sind, brandet Applaus auf, es gibt Standing Ovations.
Senator Booker, der den Bundesstaat New Jersey vertritt, hat mit seiner flammenden Rede gegen die Regierungspolitik des Präsidenten Donald Trump soeben ein Stück Kongressgeschichte geschrieben: Mit 25 Stunden und fünf Minuten hält er die bislang längste dokumentierte Rede in der Geschichte des US-Senats. Die Erschöpfung ist Booker anzusehen. Am Montagabend um 19 Uhr (Ortszeit) trat er ans Rednerpult – und auch nach Erreichen der jahrzehntealten Rekordmarke von 24 Stunden 18 Minuten spricht er weiter.
Um den denkwürdigen Marathon ohne einen Toilettengang durchzuhalten, habe er vorher tagelang gefastet, erzählt Booker laut US-Medien einer Gruppe von Reportern nach der Rede. „Ich glaube, ich habe am Freitag mit dem Essen aufgehört und dann am Abend vor dem Start am Montag mit dem Trinken. Das hatte seine Vorteile, aber auch seine wirklichen Schattenseiten“, wurde Booker zitiert. In den vielen Stunden am Pult habe er dann Muskelkrämpfe und Spasmen gehabt.
„Dies sind keine normalen Zeiten“
Mit seinem Kraftakt protestiert Booker gegen den radikalen Einsparungskurs von Trump und dessen Republikanern. Schon zu Beginn seiner Ansprache kündigt der Demokrat an, er werde „die normalen Geschäfte des Senats der Vereinigten Staaten so lange stören, wie ich körperlich dazu in der Lage bin“. Unterstützung erhält er von Parteikollegen, die ihm immer wieder Fragen stellen – eine gängige Praxis im Senat, um dem Redner kurze Verschnaufpausen zu ermöglichen und die Redezeit formal auszudehnen.
„Dies sind keine normalen Zeiten“, ruft Booker seinen Zuhörern in Erinnerung. „Und sie sollten nicht als solche gehandhabt werden.“ Innerhalb von nur 71 Tagen habe Trump den Amerikanern großen Schaden zugefügt – in Bezug auf ihre Sicherheit, ihre finanzielle Stabilität, die grundlegenden Säulen der Demokratie und sogar die gemeinsame Hoffnung, dass auch und insbesondere Menschen in höchsten Ämtern ein Mindestmaß an Anstand wahren.
Tosender Applaus - und ratlose Blicke
Je näher die Rekordmarke rückt, desto mehr Senatorinnen und Senatoren der demokratischen Fraktion erscheinen im Plenum - neben Minderheitsführer Schumer und seinen Parteikolleginnen Elizabeth Warren und Amy Klobuchar ist auch der linke Senator Bernie Sanders dabei. Als schließlich der Applaus losbricht, haben einige von ihnen Tränen in den Augen. Auf der republikanischen Seite der Parlamentskammer herrscht zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger gähnende Leere. Nur Cynthia Lummis, Republikanerin aus Wyoming, steht an ihrem Platz, lächelt und klatscht.
Applaus aus dem republikanischen Lager für einen Demokraten - das ist in diesen Zeiten ein seltenes Bild. Lummis und Booker haben aber in der Vergangenheit an überparteilicher Gesetzgebung zusammengearbeitet.
Auch auf den Zuschauertribünen spielt sich Bemerkenswertes ab: Einige Touristen, die das Kapitol besichtigen, werden eher zufällig Zeugen des historischen Moments. Drei Besucher in Sportkleidung bleiben während Bookers Rede auffällig regungslos, klatschen kein einziges Mal und schauen grimmig. Als der auch mit Unterstützern Bookers gefüllte Saal schließlich geschlossen applaudiert, schauen sie sich zunächst ratlos an – und stehen dann doch auf und klatschen mit.
Rekord-Rede macht im Netz die Runde
Übertragen wird die Rede unter anderem live auf Bookers Youtube-Kanal – der politische Stunt macht rasch in sozialen Medien die Runde. Am Dienstagnachmittag verfolgen rund 50.000 Menschen den Livestream, bis zum Abend hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt: Mehr als 110.000 Zuschauer sind zu diesem Zeitpunkt dabei.
Nach den Regeln der Kongresskammer darf ein Senator so lange sprechen, wie er will - solange ihm nicht das Wort entzogen wird und keine besonderen Beschränkungen für die Debatte gelten. Dabei muss er durchgehend stehen und darf sich nur mit minimalen Unterbrechungen äußern.
Trotz ihrer beachtlichen Länge erfüllt Bookers Rede allerdings nicht die formalen Kriterien eines sogenannten Filibusters – jener Verzögerungstaktik, mit der durch ausufernde Wortbeiträge Gesetzesvorhaben blockiert werden können. Denn seine Rede findet nicht im Rahmen einer konkreten Debatte über ein Gesetz oder eine Personalie statt.
Kein Pumpernickel, keine Behelfstoilette - Booker zieht durch
1957 hatte Senator Strom Thurmond mit 24 Stunden und 18 Minuten den bisherigen Rekord aufgestellt – aus Protest gegen das Bürgerrechtsgesetz. Laut US-Medien war er gestärkt mit Pumpernickel, Hamburger-Häppchen und Orangensaft. Ein Eimer in einem Hinterzimmer soll ihm als improvisierte Toilette gedient haben.
Auf eine solche Behelfslösung greift Booker diesmal nicht zurück. Kurz nachdem er Thurmonds Rekord gebrochen hat, verweist er darauf, dass er sich nun doch bald einmal um „biologische Dringlichkeiten“ kümmern müsse.