Delikate Theorie zur Currywurst: In Schlossküche erfunden?
Bückeburg - Ex-Kanzler Gerhard Schröder ist ihr Fan, Herbert Grönemeyer hat sie besungen, die NRW-SPD inszenierte die Currywurst als attraktives Wahlplakat-Modell. Nun könnte um den beliebtesten Imbiss der Deutschen ein gepfefferter Herkunftsstreit ausbrechen.
Kommt die Currywurst nicht aus Berlin, auch nicht aus Hamburg, sondern aus einer niedersächsischen Kleinstadt an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen? So sieht es jedenfalls Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg bei Minden. Geburtsort der Currywurst sei nachweislich seine Schlossküche, behauptet er. Das würde das volksnahe Gericht in gewisser Weise endlich adeln.
„Die Currywurst kommt aus meiner Schlossküche”, erklärte der Fürst vor einigen Tagen in der „Bild”-Zeitung. Wie kommt er zu dieser äußerst delikaten These? Der Sohn eines Kochs aus dem Sauerland habe sich gemeldet und Fürst Alexander auf die Spur gebracht, schildert eine Sprecherin des Schlossherrn der Deutschen Presse-Agentur. Demnach soll der frühere Küchenmeister Ludwig Dinslage - 1987 verstorben - der wahre Erfinder sein, wie sein Sohn behauptet.
Konkreter: Dinslage habe nach dem Krieg in der Schlossküche gearbeitet und für Offiziere der britischen Rheinarmee aus Aprikosenmarmelade, Tomatenketchup, Curry und Salz eine ungewöhnliche, zähflüssige Soße kreiert. Geburtsstunde der Currywurst sei ein Tag im September 1946 gewesen. Als Beleg wird auch ein Artikel der „Westfalenpost” vom 12. September 1984 angeführt. Darin erzählt Ludwig Dinslage höchstselbst, wie er die Currywurst erstmals zubereitete, im Speisesaal des Schlosses servierte und die Offiziere laut „delicious” (lecker) ausriefen. Der Gastronom habe sie später im eigenen Restaurant in Warstein ebenfalls mit großem Erfolg aufgetischt.
Wo die Currywurst erstmals kreiert wurde, ist tatsächlich nicht abschließend geklärt. Immer wieder mal meldeten Köche in der Vergangenheit Ansprüche an. Manches blieb Gerüchteküche. Nach verbreiteter Auffassung gilt die Berlinerin Herta Heuwer als Mutter der Bratwurst. Ihre Spezial-Curry-Bratwurst soll sie allerdings erst am 4. September 1949 geschaffen haben.
In der Novelle „Entdeckung der Currywurst” verlegt Uwe Timm die Entdeckung der kalorienreichen Speise nach Hamburg ins Jahr 1947. Der Essener Imbissbetreiber Timm Koch sieht das Ruhrgebiet als wahrscheinliche Geburtsstätte - dort habe man die Currywurst jedenfalls schon vor 1949 gegessen. Daran erinnerten sich Menschen aus dem Ruhrpott, sagte Koch der „WAZ” vor einigen Wochen - und kündigte die Gründung eines Currywurst-Museums an.
Die Currywurst ist nicht bloß irgendein Sattmacher, für viele hat sie Kultstatus, auch im Ausland ist sie zu einiger Berühmtheit gelangt. Und die Deutschen verdrücken rund 800 Millionen Stück Jahr für Jahr. Aber was muss eigentlich drin sein, damit es eine Currywurst ist? Die Zusammensetzung ist rechtlich nicht standardisiert, wie Manon Struck-Pacyna vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) erläutert.
Nach gängiger Auffassung bestehe das Gericht aus einer Bratwurst mit currygewürzter Tomatensoße und Currypulver. Für die Bratwurst gebe es dann allerdings sehr wohl eine verbindliche Regelung: Sie muss eine Brühwurst sein, „mit Darmhülle oder ohne” und eine Vorgabe bei Mindest-Fleischanteil und Fettgehalt einhalten.
Ob nun Ludwig Dinslage der Schöpfer ist oder nicht - die Geschichte der Currywurst wird mutmaßlich nicht umgeschrieben werden. Fürst Alexander will den früheren Küchenmeister jedoch posthum zu Ehren kommen lassen. Auf seinem Schloss sind bisweilen auch Vertreter des europäischen Hochadels und viele andere Prominente zu Gast. Künftig soll auf der Speisekarte an Ludwig Dinslage erinnert werden. Und vielleicht gibt es eine Gedenktafel für den Currywurst-Pionier. (dpa)