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Debatte um Benimm-Unterricht Debatte um Benimm-Unterricht: Kommt der Knigge wieder zu Ehren?

Von Jörg Telemann 29.08.2003, 18:04

Halle/MZ. - "Sei pünktlich, ordentlich und fleißig!", "Enthülle nicht die Schwächen deiner Nebenmenschen!" - Man schreibt das Jahr 1789, als Adolph Freiherr von Knigge diese Verhaltensgrundsätze in seinem Buch "Über den Umgang mit Menschen" veröffentlicht.

214 Jahre später hält es die Mehrzahl der Bundesbürger für erforderlich, zumindest der Jugend wieder mehr Benehmen und Anstandsregeln nahe zu bringen - und zwar im Schulunterricht. Angestoßen hat die Benimm-Debatte der saarländische Bildungsminister Jürgen Schreier (CDU) Mitte August. "Im Saarland kommen Anstand und Benehmen demnächst auf den Stundenplan", verkündete er. Zukünftig würden Schüler in den Klassen 1 bis 6 "gutes Benehmen lernen und im Unterricht sich damit auseinandersetzen, warum Anstand, gegenseitige Rücksichtnahme und die Achtung des Anderen wichtig für das Zusammenleben sind", sagte er und versprach das "Ende der Unhöflichkeit".

Fortan entspann sich bundesweit die Diskussion, ob es richtig und sinnvoll sei, nach saarländischem Vorbild ein Unterrichtsfach in Benehmen einzuführen. "Ein Missverständnis", wie ein Sprecher des Bildungsministeriums in Saarbrücken versichert. Denn an ein solches Fach denke auch im Saarland keiner. Vielmehr würden von einer Arbeitsgruppe so genannte Benimm-Bausteine erarbeitet, die die Lehrer dann im normalen Unterricht benutzen könnten. Mehr Werte-Vermittlung im Unterricht - das können sich die meisten Bildungspolitiker vorstellen. Auch Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) "geht es nicht um ein neues Unterrichtsfach oder um Knigge und Höflichkeitsfloskeln".

Wichtig sei, dass soziales Verhalten einen großen Stellenwert auch in der Schule erhalte. "Doch das lernt man nicht per Verordnung, sondern durch Nachahmen von Vorbildern." Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) sieht die Schulen des Landes schon auf dem richtigen Weg. Etwa mit der Wiedereinführung von Verhaltensnoten ab diesem Schuljahr, womit das Benehmen wieder stärker ins Augenmerk gerückt werden soll. Impulse erhofft sich das Kultusministerium auch von den neu eingeführten Verträgen zwischen Elternhaus und Schule, um dieser Beziehung verbindlicher zu gestalten.

Was auch immer noch an Ideen geboren wird, um die Jugend in Sachen Benehmen auf Trab zu bringen: Zufrieden stellen wird sie die ältere Generation wohl nie. "Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die Jungen stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." - Man weiß nicht so genau, in welchem Jahr der griechische Philosoph Sokrates (470 bis 399 v.Chr.) diese Schmähung verfasst hat.