Debakel ums Segelschulschiff Debakel ums Segelschulschiff: Warum die Gorch Fock für die Bundeswehr so wichtig ist

Berlin - Das Traditions-Schulschiff der Bundeswehr, Gorch Fock, ist derzeit nur noch ein Gerippe. Es liegt auf einer Werft und wird repariert – seit Jahren. Ob es je wieder zum Einsatz kommt, ist offen. Denn nun gibt es auch noch Schwierigkeiten mit der Werft.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will trotzdem an dem Segelschiff festhalten. Warum? Und wo kommt eigentlich die Kostensteigerung her? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was ist das Problem?
Das Grundsatzproblem ist das Geld. Die Kosten für die Wartung des Segelschulschiffs Gorch Fock sind dramatisch gestiegen. Knapp zehn Millionen Euro waren ursprünglich veranschlagt, als das Schiff 2015 wegen Schäden am Rumpf in die Werft ging. 2017 wurden die Kosten auf 75 Millionen Euro korrigiert.
Mittlerweile sind daraus 135 Millionen Euro geworden – eine Steigerung um mehr als das Zehnfache als der Ursprungsbetrag. Bisher bezahlt hat das Bundesverteidigungsministerium 69 Millionen Euro. Ende Dezember verfügte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen Zahlungsstopp.
Wer ist schuld an der Kostensteigerung?
Das ist genau die Frage. Der Bundesrechnungshof macht dem Ministerium erhebliche Vorwürfe: Im Verlauf der Jahre sei das mittlerweile 60 Jahre alte Schiff nie vernünftig durchgecheckt worden.
Warnungen etwa des Havariebeauftragten der Bundeswehr aus dem Jahr 2011, der Korrosionsschäden feststellte und vor einer „nicht unwesentlichen Gefährdung von Schiff und Besatzung“, warnte, seien ignoriert worden.
Und der Rechnungshof stellt auch fest: Der Verteidigungsministerin, die die Instandsetzung genehmigen musste, seien Probleme vorenthalten worden. Vor der Instandsetzung sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung unterblieben. Hintergrund könnte der unbedingte Wille der Marine sein, an dem Traditionsschiff festzuhalten.
Auch ein ehemaliger Werft-Vorstand verweist bei den Kosten auf die Bundeswehr: „Die Entscheidung über Kostensteigerungen hat zu keinem Zeitpunkt mit der Werft zu tun“, sagte er der „Welt“. „Wir konnten keine Schraube in dieses Schiff drehen, ohne dass das irgendjemand vorher genehmigt hat.“
Die Bundeswehr habe teure Extrawünsche gehabt, wie etwa ein Zwischendeck aus Teakholz und sei „plötzlich“ auf die Idee gekommen, „neueste Sicherheitsbestimmungen vollständig zu beachten“. Zudem sei eine Asbestsanierung nötig gewesen.
Allerdings hat auch die Werft selbst Probleme – welchen Anteil dies an der Kostensteigerung hat, ist offen.
Welches Problem hat die Werft?
Der zentrale Auftragnehmer, die Elsflether Werft im gleichnamigen niedersächsischen Ort an der Unterweser, wird nach Angaben von Vorstandschef Axel Birk Insolvenz anmelden. Erste Zweifel an der Werft waren Ende des Jahres aufgekommen als bekannt wurde, dass ein Mitarbeiter des Marinearsenals, der für die Kostenprüfung der Reparatur zuständig war, einen hohen sechsstelligen Kredit von der Werft-Führung bekommen hatte. In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Angehörige der verstorbenen Werft-Besitzerin hatten zudem intern erhebliche Vorwürfe gegen die Werft-Spitze erhoben, die im Januar durch einen Notvorstand ersetzt wurden.
Der hat nun die Unternehmensfinanzen geprüft und nach Informationen des RND festgestellt, dass die bisherige Werft-Spitze 30 Millionen Euro aus dem Firmenvermögen in ein Geflecht aus Immobilien- und Reise-Unternehmen umgeleitet habe.
Geld soll auch in eine Goldmine in der Mongolei geflossen sein. Außerdem seien seit drei Monaten Rechnungen von Unterauftragnehmern nicht gezahlt worden – in Höhe von 22 Millionen Euro. Einer der Unterauftragnehmer ist die Bredo-Werft in Bremerhaven, wo die Gorch Fock tatsächlich liegt.
Ist das das Ende der Gorch Fock?
Das Verteidigungsministerium will zunächst offenbar daran festhalten, die Gorch Fock weiter instand setzen zu lassen. Ziel der geplanten Insolvenz in Eigenverwaltung ist nicht die Abwicklung, sondern die Sanierung der Werft. Entscheidend wird sein, ob der bisherige Kostenrahmen eingehalten werden kann. Das Ministerium hofft offenbar, dass es wieder etwas günstiger wird: Es gebe jetzt die Chance einer „Optimierung“ der Verträge, sagte ein Ministeriumssprecher.
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hat das Ministerium einen neuen Rahmen von 128 Millionen Euro vorgegeben, etwas unter der bisherigen Schätzung von 135 Euro also. Gestoppt werden kann das Projekt noch an mehreren Punkten. Jeder Tag in der Werft kostet bereits 10.000 Euro.
Warum hängt die Bundeswehr so an dem Schiff?
Die Gorch Fock hat einen hohen Symbolwert – schon allein optisch. Ihr Anblick mit geblähten Segeln oder, bei Hafeneinfahrten, mit den auf allen Rahen aufgereihten Matrosen, wirkt romantisch und ist auf jeden Fall ein positiver besetztes Aushängeschild der Bundeswehr als ein Panzer oder ein Kampfflugzeug. Die nennt ihr Schiff daher auch stolz „Weiße Lady“.
Die Ausbildung auf dem Dreimaster gilt außerdem als besondere Erfahrung. „Es ist das einzige Medium, das wir haben, auf dem die Soldaten die Urgewalten spüren können. Wenn man sich ohne Motor an die Naturgegebenheiten anpassen muss, wenn man die Kraft des Wassers und des Windes direkt spürt, schärft das das Verständnis dafür, wie man sich sicher auf dem Wasser bewegen kann“, sagte der Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Jörg Hillmann, dem RND.
Auch Italien, Rumänien, Polen, die USA, Dänemark und Norwegen unterhalten Segelschulschiffe. Großbritannien oder die Niederlande verzichten auf eine Segelausbildung bei der Marine.
Muss es unbedingt die Gorch Fock sein?
Die Bundeswehr ist immer wieder lange Phasen ohne das Segelschiff ausgekommen, weil es gerade mal wieder repariert wurde. Zuletzt gab es einen rumänischen Segler als Ersatz. In der Bundeswehr heißt es, dies sei keine optimale Lösung gewesen, unter anderem weil das Schiff unter rumänischem Kommando stand.
Unter anderem die Grünen und die FDP finden, dass man auch ein neues Schiff kaufen könnte und glauben, dass das auch nicht teurer wäre als die Rest-Reparaturkosten der Gorch Fock. Gegner dieser Lösung verweisen auf lange Bauzeiten und gehen von höheren Kosten aus.
Der Verteidigungsexperte der Linkspartei, Matthias Höhn, sagt: „Die Gorch Fock gehört genauso außer Dienst gestellt wie die Ministerin.“