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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: «Die Täter sind unter uns»

30.03.2007, 08:54
Blick in eine Einzelzelle im früheren Stasi-Gefängnis Bautzen II. (Foto: dpa)
Blick in eine Einzelzelle im früheren Stasi-Gefängnis Bautzen II. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Der Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat der PDS eine Zusammenarbeit mitVereinen ehemaliger Stasi-Leute vorgeworfen. «Da gibt es engeVerbindungen», sagte der Historiker am Donnerstagabend bei derVorstellung seines neuen Buches mit dem Titel «Die Täter sind unteruns. Über das Schönreden der SED-Diktatur» in Berlin. Die «Stasi-Obristen» hätten ihre Büros teilweise in Gebäuden der Linkspartei undsammelten auch Geld für den Wahlkampf der Partei. Die Linksparteirevanchiere sich dafür mit ihren Renten-Forderungen im Bundestag,sagte Knabe.

Der Historiker forderte eine verstärkt kritische Aufarbeitung derDDR-Geschichte. «Vieles ist weggerutscht, die junge Generation weißgar nichts mehr und hält Stasi-Chef Erich Mielke für einenSchriftsteller.» Auch bei der juristischen Aufarbeitung seiengrundlegende Fehler gemacht worden. «Das war eine stille Amnestie.»Im Einigungsvertrag seien zwar die Gehälter der Mitglieder derBauakademie geregelt worden - rechtliche Grundlagen für dieBestrafung der Täter aber nicht, hob Knabe hervor. Er fordertePolitik und Justiz auf, eine offene Verherrlichung der SED-Diktaturnicht zu dulden.

In dem Buch beschreibt Knabe ausführlich die Reorganisation vonfrüheren Stasi-Mitarbeitern in Vereinen und kritisiert, dass Opferder SED-Diktatur oft allein gelassen und an den Rand gedrängt würden.Nach seinen Recherchen seien rund 700 frühere hauptamtliche Stasi-Leute heute als Rechtsanwälte tätig, sagte Knabe. Dagegen hättenviele Opfer keinen beruflichen Neuanfang starten können und seienauch bei den Renten benachteiligt. Zunehmend äußerten sie Resignationund Enttäuschung, dass sich der Widerstand gegen die Diktatur nichtgelohnt habe. «Es ist beschämend, dass die Benachteiligungnachwirkt», betonte Knabe.

Allein in Berlin seien noch tausende Ex-Stasi-Leute in Vereinenorganisiert, sagte der Historiker. Sie bereuten ihre frühereTätigkeit nicht, würden Lebenslügen und Legenden spinnen und dasGrenzregime rechtfertigen. Sie zeigten sich mit aggressiverPropaganda zunehmend in der Öffentlichkeit. «Die geistigenBrandstifter wirken in die junge Generation hinein.»

Die Einschätzung von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD),die früheren Stasi-Leute bräuchten eher einen Altenpfleger als einenVerfassungsschützer, hielt Knabe für «eine grobe Verharmlosung». EinKapitel seines Buches, das im Propyläen Verlag erschienen ist, trägtdie Überschrift «Hilfsverband für Kriminelle». Knabe rechnet nacheigenen Angaben mit rechtlichen Schritten gegen die Veröffentlichung.

Knabe hat sich bereits in mehreren Büchern mit der Aufarbeitungder SED-Diktatur beschäftigt. So erschienen «Die unterwanderteRepublik. Stasi im Westen» (1999) oder «Der diskrete Charme der DDR.Stasi und Westmedien» (2001).

Offensichtlich hat sich Knabe mit seinem neuen Buchtitel an denTitel des ersten deutschen Nachkriegsfilm «Die Mörder sind unter uns»von Wolfgang Staudte angelehnt. In dem Defa-Film geht es um dieAuseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit.