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DDR DDR: Film beleuchtet Stasi-Einfluss auf die Kirche

27.10.2008, 10:44
Wolfgang Schnur, Ex-Vorsitzender des «Demokratischen Aufbruchs», war nur eines von vielen aktiven Kirchenmitgliedern, die sich mit der Stasi arrangierten. (ARCHIVFOTO: DPA)
Wolfgang Schnur, Ex-Vorsitzender des «Demokratischen Aufbruchs», war nur eines von vielen aktiven Kirchenmitgliedern, die sich mit der Stasi arrangierten. (ARCHIVFOTO: DPA) Verwendung nur in Deutschland, usage Germany only

Hamburg/dpa. - Im Wahlkampf für die letzte Volkskammerwahl präsentierte sich Wolfgang Schnur, der Vorsitzende des «Demokratischen Aufbruchs», Anfang 1990 den Wählern als «der künftige Ministerpräsident der DDR». Kurz danach war der populäre Anwalt als langjähriger Spitzel des DDR-Staatssicherheit enttarnt, seine politische Karriere zu Ende. Schnur war nur eines von vielen aktiven Kirchenmitgliedern, die sich im sozialistischen Staat mit der Stasi arrangierten und mehr oder auch weniger freiwillig Zuträger des Geheimdienstes waren. In seiner Dokumentation «Die Verstrickung - Für Gott und die Stasi» geht der Publizist Günther Bernd Ginzel mehrerenEinzelfällen nach und lässt die Betroffenen zu Wort kommen. Bei 3sat ist sein Film an diesem Mittwoch (21.05 Uhr) erstmals zu sehen.

Für Hans M. Harder, Konsistorialpräsident a.D., war esselbstverständlich, dass er mit der Stasi verhandelte, wenn es darum ging, Kirchenmitgliedern zu helfen, die mit dem Staatsorganen in Konflikt gerieten. «Die Stasi war ein offizielles Ermittlungsorgan der DDR», sagt er. Als ein junger Mann den Spruch «Lang lebe die DDR» an eine Wand gesprüht hat, wird gegen ihn wegen Staatsverleumdung ermittelt, denn ihm wird sofort Ironie unterstellt. Ihm zu helfen, «das ging nur über die Stasi», sagt Harder.

Umso unfassbarer ist es für ihn, dass er später in den Akten als«Mitarbeiter der Stasi» auftaucht. «Ich wäre auf Vieles gekommen, aber dass die uns als Mitarbeiter bezeichnen würden und uns dazu auch noch einen Decknamen verpassen - da wäre ich in den kühnsten Träumen nicht drauf gekommen.»

Schnur dagegen, 1944 geboren, in der DDR aufgewachsen und vonseiner im Westen lebenden Mutter zurückgewiesen, bekennt sich heute zu seiner Spitzeltätigkeit für die Stasi. «Der Verrat gehört zu einer solchen Entscheidung dazu», sagt er zu seinen Berichten über interne Vorgänge bei der evangelischen Synode. Er habe sich als ein «wichtiger Wächter gegen die Feinde der DDR» betrachtet. Außerdem war da die «Faszination, mit einem Geheimdienst zusammenzuarbeiten».

Für die katholische Kirche, in der DDR eine Minderheit, war das Ministerium für Staatssicherheit ein Ministerium wie jedes andere, berichtet Prälat Dieter Grande. «Es war ein Ministerium in der Reihe der Ministerien.» Und die notwendigen Kontakte zu diesem Ministerium wurden «von den entsprechenden Gesprächsbeauftragten wahrgenommen».

Nicht ganz freiwillig wird der Studentenpfarrer Clemens Rosner zum Freien Mitarbeiter der Stasi. Er macht sich erpressbar, indem er zur Finanzierung der Studentengemeinde mit West-Geldern und Autokäufen jongliert. Nach DDR-Recht macht er sich damit eines Devisenvergehens schuldig. «Ich habe es nicht im theologischen Sinn als eine Sünde gesehen, mit denen überhaupt zu reden», sagt er, aber: «Ich hätte mir gewünscht, ich hätte wenigstens nach dem zweiten Besuch gesagt: Ichlege keinen Wert auf weitere Besuche.»

Wie man in der DDR auch ohne eigenen Willen zum InoffiziellenMitarbeiter (IM) der Stasi werden konnte, beschreibt der frühereStasi-Offizier Wolfgang Schmidt so: «Man hat eingeschätzt, das ist ein perspektivischer Kontakt, ein Kontakt, den wir ausbauen können, und dann war der Mann IM, ob er es wollte oder nicht.»