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Chemie-Waffen Chemie-Waffen: Giftgas landet im Wunderofen

Von Jonas Schöll 07.10.2013, 17:45
Ein Beschäftigter der Eisenmann AG montiert in Holzgerlingen (Baden-Württemberg) die Abdeckung einer Kampfmittelvernichtungsanlage.
Ein Beschäftigter der Eisenmann AG montiert in Holzgerlingen (Baden-Württemberg) die Abdeckung einer Kampfmittelvernichtungsanlage. DPA Lizenz

Böblingen/Dpa - Wo Chemiewaffen eingesetzt werden, wird alles Leben zerstört. Sie lagern weltweit in Containern, Kanistern oder sind schon in Granaten abgefüllt. 1 000 Tonnen Gasmunition soll es auch in Syrien geben. Darunter gefährliche Gift-Cocktails wie das Hautgift Senfgas oder das Nervengas Sarin. Wenn das Land seine chemischen Kampfstoffe zerstören lässt, könnte das auch mit Hilfe schwäbischer Technologie geschehen. Denn die Firma Eisenmann aus Böblingen ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer in der Vernichtung von Chemiewaffen.

„Wir könnten sofort loslegen, wenn eine Anfrage aus Syrien kommt“, sagt Kersten Christoph Link, Vorstandsmitglied der Eisenmann AG. Seit mehr als zehn Jahren ist das Unternehmen im Geschäft: Fabriken stehen in Russland, Albanien, Japan und sogar in Deutschland.

Risiken beim Transport der Chemikalien

Doch in Syrien wütet ein Bürgerkrieg, und die Chemiewaffen sind mittendrin. Noch nie seien in einem Kriegsgebiet Chemiewaffen vernichtet worden, sagt Oliver Meier, Chemiewaffen-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Vor allem der Transport der Chemikalien berge Risiken: „Neben der Unfallgefahr besteht das Risiko eines Angriffs auf die Transporte.“

In Syrien könnte Eisenmann ähnliche Anlagen wie in Russland bauen. Rund 142 Millionen Euro kostete die Fabrik in Potschep, wo rund 7 500 Tonnen sogenannter phosphororganischer Kampfstoffe gelagert wurden. „Hauptsächlich Sarin, der Kampfstoff, der laut Medienberichten auch in Syrien überwiegt“, sagt Link.

Doch wie lässt sich Giftgas überhaupt entsorgen? „Die toxischen Stoffe werden thermisch verbrannt“, erklärt Link. Das geschieht mit einem Spezialofen, dem sogenannten „Turaktor“. Er kann in Granaten abgefüllte hochtoxische Kampfstoffe wie Lewisite, Senfgas oder Sarin verbrennen. Zuerst wird das Giftgas in flüssiger Form in den Reaktor eingedüst, dann bei 1 200 Grad in einer keramisch ausgekleideten Brennkammer verbrannt.

„Das Giftgas wird soweit thermisch vernichtet, dass die entstehenden Rauchgase und das Abwasser ganz regulär aufbereitet werden können“, erklärt Link. Aus diesen Rauchgasen werden die Giftstoffe dann herausgewaschen und gefiltert. Anschließend könne die Abluft ganz normal über den Kamin entlassen werden. Das Waschwasser werde in einer Kläranlage entsorgt.

„Ein sehr spezieller Markt“ sei das Geschäft, sagt Link. Nach dem Kalten Krieg ächtete die Völkergemeinschaft alle Chemiewaffen. Dazu gibt es seit 1997 eine eigene Konvention - sie schreibt die Vernichtung der Bestände vor. „Doch nicht alle Länder sind beigetreten“, sagt Link. Länder wie Angola, Ägypten, Nordkorea und Südsudan haben nicht unterzeichnet.

80 Prozent aller existierenden Chemiewaffen vernichtet

Laut OPCW, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, sind mittlerweile 80 Prozent aller existierenden Chemiewaffen vernichtet. Eine Welt ohne Chemiewaffen? In Albanien ist das schon gelungen: Als weltweit erster Staat hat das Land all seine chemischen Waffen vernichtet. Die Technologie lieferte Eisenmann: „Darauf sind wir stolz“, sagt Link.

Nach Albanien hatte Eisenmann nicht nur Technik geliefert, sondern die Anlage auch mit eigenem Personal betrieben. „Voraussetzung ist, dass unsere Mitarbeiter zu einem Einsatz freiwillig bereit sind“, sagt Link. Wie hoch die Gefahr für Mitarbeiter deutscher Firmen in Syrien wäre, hinge vor allem von Ort und Dauer des Einsatzes ab, meint Experte Meier. Der Aufbau von Anlagen nahe der Kampfgebiete sei mit hohen Risiken verbunden. „Selbst in Gebieten, die unter Kontrolle der Regierung stehen, besteht die Gefahr von Anschlägen“, sagt Meier.

„Die Sicherheit unserer Mitarbeiter muss gewährleistet sein“, sagt Link, etwa im Rahmen eines Blauhelm-Einsatzes. Die Kosten für Sicherheit und Infrastruktur eines solchen Einsatzes kann Link heute noch nicht einschätzen. Wenn jetzt ein Anruf aus Syrien käme, würde es mindestens ein halbes Jahr dauern, bis die Anlage in Deutschland gefertigt wäre. Danach würde sie nach Syrien transportiert und dort in Betrieb genommen.