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Burkhard Hirsch Burkhard Hirsch: «Die Bürger sind nie gefragt worden»

16.12.2011, 20:37

BERLIN/MZ. - Die Euro-Rebellen haben weder das notwendige Quorum erreicht noch die Mehrheit der gültigen Stimmen des Mitgliederentscheids. Eine heftige Niederlage?

Hirsch: So würde ich das nicht sehen. Wenn sich weniger als ein Drittel der Mitglieder an dem Entscheid beteiligt hat, dann bedeutet das auch, dass es dem Bundesvorstand nicht gelungen ist, zwei Drittel der Mitglieder für seinen Antrag zu motivieren. Das würde mich als Bundesvorstand sehr beunruhigen.

Welche Konsequenzen sollte die Beunruhigung haben?

Die Mehrheit für den Antrag des Bundesvorstands war sehr knapp. Die Mehrheit muss sich bemühen, die Minderheit wieder in die Parteiarbeit zu integrieren. Und ich erwarte, dass der Bundesvorstand die Kernpunkte seines Antrags ernst nimmt, das bedeutet, dass er beispielsweise an seiner Ablehnung der Eurobonds festhält und auch der Beschränkung des deutschen Haftungsvolumens. Da bin ich sehr gespannt.

Sie hatten der Parteiführung vorgeworfen, sie habe unfair gekämpft und juristische Mittel angedroht. Bleiben Sie dabei?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Auszählung korrekt war. Doch sieht es so aus, dass das erforderliche Quorum in keinem Fall erreicht werden könnte. Dann werde ich nicht auf der Wiederholung des Mitgliederentscheids bestehen.

Zwar hat Parteichef Rösler den Mitgliederentscheid gewonnen, dennoch ist er angeschlagen. Wie viel Zeit geben Sie ihm noch als Vorsitzender?

Darum geht es nicht. Ich wüsste auch gar nicht, wer gegen ihn ein Misstrauensvotum einbringen sollte. Vielmehr muss sich, wie gesagt, der Bundesvorstand mit der Tatsache auseinandersetzen, dass zwei Drittel der Parteimitglieder sich trotz seiner Aufrufe und Appelle nicht am Entscheid beteiligt haben. Denkbar wäre, dass sich der Bundesvorstand beim nächsten Bundesparteitag im April vorgezogenen Neuwahlen stellt.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat stets beteuert, dass sie sich im Falle eines Sieges der Euro-Rebellen nicht an den Mitgliederentscheid gebunden fühle ...

Hirsch: Deshalb erwarte ich, dass die Fraktion das Abstimmungsverhalten zum Rettungsschirm frei gibt. Es gibt kein imperatives Mandat, schon gar nicht in dieser wichtigen Frage.

Die Frage, wie und ob der Euro gerettet werden kann, zerreißt ja nicht nur die FDP. Auch die Bevölkerung ist, wie alle Meinungsumfragen bestätigen, zutiefst gespalten. Nur fragt sie ja keiner nach ihren Ansichten.

Hirsch: So ist es. Es muss endlich aufhören, dass die Funktionsträger der Bevölkerung eine neue Verfassung oktroyieren. Eines der großen Versäumnisse der letzten Jahre war, dass die Bürger nie zu Europa befragt worden sind. Darum fordere ich die anderen Parteien auf, ebenfalls Mitgliederentscheide herbeizuführen. Europa, die Währung, die Verfassung geht jeden Bürger an. Ich erinnere an das Wort Kurt Tucholskys: "Die Staatsgewalt geht vom Volke aus, und wenn einer ausgegangen ist... dann kommt er so schnell nicht wieder". So ist es, aber so darf es nicht bleiben. FOTO: DPA