Bundeswehreinsatz in Afghanistan Bundeswehreinsatz in Afghanistan: Politiker sehen wachsende Gefahr für Terroranschläge

Berlin/dpa. - Der Skandal um die Bilder von Totenschändungen durch Afghanistan-Soldaten der Bundeswehr hat auch die Debatte überTerrorgefahr in Deutschland neu angeheizt. Führende Innenpolitiker warnten vor einem wachsenden Anschlagsrisiko hierzulande. Am Samstag hatte die «Bild»-Zeitung weitere Bilder aus Afghanistan veröffentlicht, die Ende 2003 oder Anfang 2004 entstanden sein sollen.
«Solche Vorfälle liefern islamistischen Extremisten Munition für weitere Radikalisierung», sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) der «Bild am Sonntag». Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, es lasse sich noch nicht konkret belegen, ob die Skandalfotos Einfluss auf die Sicherheitslage haben. Kanzlerin Angela Merkel appellierte an die Menschen in Afghanistan, besonnen zu reagieren.
Gerüchte, wonach Offiziere in Afghanistan seit längerem von denFotos wussten, wies das Verteidigungsministerium am Wochenendezurück. Ressortchef Franz Josef Jung (CDU) verschob angesichts der Foto-Affäre eine geplante Asien-Reise und beauftragte den für Ausbildung zuständigen General Dieter Naskrent, nach Kabul zu fliegen und die Umstände zu untersuchen.
In einem streng vertraulichen Bericht warnt das Ministerium laut«Bild am Sonntag» auch vor Gewalt gegen die Afghanistan-Truppe. Es sei «mit gewaltsamen Übergriffen nicht nur gegen deutsche, sondern auch gegen internationale zivile und militärische Kräfte und Einrichtungen insgesamt zu rechnen», zitierte das Blatt. DieTotenschändungen könnten «auch innerhalb Deutschlands weit reichende Folgen haben».
Merkel betonte im Magazin «Focus»: «Die schnelle Aufklärung dieserabscheulichen und schockierenden Vorfälle, die VerteidigungsministerFranz Josef Jung durchgesetzt hat, wird ihre Wirkung beimafghanischen Volk hoffentlich nicht verfehlen.» Es komme darauf an,dass solche Vergehen schonungslos verfolgt und bestraft werden. Ausder islamischen Welt wurden bis Sonntagnachmittag keine größerenProteste wegen der Totenschändungen bekannt.
SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte: «Unsere Sicherheitsbehördensind gewarnt und immer auf eine höhere Gefährdungslage vorbereitet.»Er wies darauf hin, dass im Fall der beiden mutmaßlichen Kofferbomberbereits die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen als Motivausgereicht habe. Jede eigene Verantwortung im Zusammenhang mit denTotenschändungen wies Struck von sich: «Hätte der Führungsstab odergar ich davon erfahren, wäre das natürlich sofort bestraft worden»,sagte Struck, der von 2002 bis 2005 Verteidigungsminister war.
Jung sagte am Sonntag, es gebe keine Hinweise auf eine Verwicklungvon höherrangigen Soldaten in den Skandal. «Natürlich nehmen wir alleHinweise ernst. Aber wir haben bisher keinerlei Erkenntnis darüber,dass auch die Truppenführer Kenntnis von diesen Sachverhaltenhatten», sagte Jung der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montag).Er hoffe weiter, «dass es bei solchen Einzelaktionen bleibt und dassnicht die Bundeswehr insgesamt in Misskredit gerät».
Ein früherer Entwicklungshelfer der Gesellschaft für TechnischeZusammenarbeit (GTZ) hatte der «Leipziger Volkszeitung» berichtet, eshabe in der nordafghanischen Region Kundus schon länger Gerüchte über«Exzesse in einem Knochenfeld» unter Beteiligung deutscher Soldatengegeben. Möglicherweise soll ein Teil der Armeeführung in Afghanistanseit geraumer Zeit von den Fotos gewusst, aber nichts unternommenhaben, berichtete die Zeitung unter Berufung auf den Ex-GTZ-Helfer.
Der Truppenpsychologe Horst Schuh geht davon aus, dass es auch imKosovo ähnliche Zwischenfälle gegeben haben könnte: «Ich habe selbstim Kosovo mitbekommen, dass junge Soldaten bei Exhumierungen oder inder Pathologie Fotos gemacht haben, die unter der Hand im Lagerkursierten, ohne dass die Vorgesetzten offensichtlich davon etwasmitbekommen haben», sagte er der «Bild am Sonntag».
Am Samstag hatte die «Bild»-Zeitung weitere Bilder aus Afghanistan veröffentlicht, die Ende 2003 oder Anfang 2004 entstanden sein sollen. Die Aufnahmen zeigen unter anderem, wie ein Soldat einem aus verschiedenen menschlichen Knochen zusammengesetzten Skelett in der Art einer Hinrichtungsszene eine Pistole an den Totenschädel hält.
