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Bundeswehr-Unglück Bundeswehr-Unglück: Vor 50 Jahren verschwanden 15 Rekruten in der Iller

30.05.2007, 09:01
Otto-Ludwig Gewinner hält an der Iller bei Kempten (Schwaben) eine Kopie mit Abbildungen von den Soldaten, die vor fast genau 50 Jahren hier ums Leben kamen. (Foto: dpa)
Otto-Ludwig Gewinner hält an der Iller bei Kempten (Schwaben) eine Kopie mit Abbildungen von den Soldaten, die vor fast genau 50 Jahren hier ums Leben kamen. (Foto: dpa) dpa

Kempten/dpa. - Der letzteLeichnam wurde erst nach 16 Tagen an einem Reusenwehr gefunden. Dertote Soldat trug noch seinen Stahlhelm. Deutschland war fassungslos.Trotz eines Verbots von höchster Stelle hatte ein Stabsunteroffizier seinen Rekruten den Befehl gegeben, in voller Montur mit Stahlhelm und Karabiner die Hochwasser führende Iller zu durchqueren - mitschrecklichen Folgen.

«Wir waren am Morgen des 3. Juni erst zehn Kilometer aus derPrinz-Franz-Kaserne in Kempten Richtung Iller marschiert», erinnertsich Otto-Ludwig Gewinner, ein Zeitzeuge der Katastrophe. «Am 1.April waren wir mit 19 Jahren eingezogen worden. Unsere Kompanie wardamals schlecht ausgerüstet, von Anfang an herrschte Unzufriedenheitwegen der Mängel», erzählt der heute 70-Jährige. «Wir hatten noch garkeine Erkennungsmarken, deshalb war dann auch die Identifizierung derToten so schwer.»

Mit vier Zügen marschierte die Kompanie zum Fluss. Um 10.30 hatteder 4. Zug mit etwa 30 Mann seine Übungen beendet, als der Befehlkam: «Wir gehen jetzt einmal durch die Iller.» So berichtete es derdamalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) späterim Bundestag. Auf die Frage eines Soldaten, ob der Befehl auch fürNichtschwimmer gelte, antwortete der Stabsunteroffizier, erst einmalsollten alle gehen. Wenn es zu schwierig werde, könne jedermannumkehren. Der Vorgesetzte unterschätzte die Iller.

Der Stabsunteroffizier stieg als erster in den kalten Fluss, dieSoldaten folgten in dichten Reihen. Plötzlich verloren sie auf demglitschigen Untergrund den Halt, die starke Strömung riss die Männermit, einzelne konnten sich an einen Brückenpfeiler klammern undwurden gerettet. 15 Kameraden wurden abgetrieben und ertranken.

«Am nächsten Tag waren in meinem Zimmer vier Betten frei»,schildert Gewinner die Situation. «Wir waren geschockt.» Unter denToten war auch ein Rettungsschwimmer. Nach dem Unglück setzte eineDebatte ein, ob die Soldaten den Befehl zur Überquerung hättenverweigern sollen. «Wir waren doch alle minderjährig, die Ausbilderwaren für uns Elternersatz», sagt Gewinner.

Der Stabsunteroffizier wurde später zu einer Bewährungsstrafeverurteilt, ein weiterer verantwortlicher Stabsunteroffizier und einOberleutnant frei gesprochen. «Über diese milden Urteile waren wirmehr als enttäuscht», sagt Gewinner. Strauß führte damals imBundestag aus: «Die Tragik des furchtbaren Problems lag darin, dassdie Soldaten mit Scherzworten und spöttischen Zurufen in das Wassergegangen sind, weil sie das Ganze zum Abschluss der Übung noch füreine interessante Einlage gehalten hatten. Das Verbot des Übergangswar den Soldaten nicht bekannt gemacht worden.»

Am Jahrestag der Katastrophe wird der Generalinspekteur derBundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, in Kempten einen Kranz niederlegenund der Toten gedenken. «Darauf könnte ich gern verzichten, wenn ichmeine Kameraden wieder haben könnte», meint Gewinner bitter.