1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Bundeswehr: Bundeswehr: Soldatenmisshandlungen weiter verbreitet als angenommen

Bundeswehr Bundeswehr: Soldatenmisshandlungen weiter verbreitet als angenommen

01.12.2004, 06:40

Berlin/dpa. - Eine Anweisung vom Februar, in der Grundausbildung keineGeiselnahme zu proben, wurde Struck zufolge nach internen Berichtenüber Knalltraumata (Gehörschäden) bei Wehrpflichtigen während einersolchen Übung erlassen. Nach ZDF-Informationen ging dem Erlass einFall im Logistik-Bataillon 471 in Dornstadt bei Ulm im vorigen Jahrvoraus. «Die Verstöße sind inzwischen untersucht und disziplinarischgeahndet», bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Unterdessen wurde ein «Welt»-Bericht über «Scheinerschießungen»bei einer Übung von Bundeswehr und Polizei auf dem StuttgarterFlughafen vor einem Jahr dementiert. Allerdings kritisierte Struckdie dort simulierte Geiselnahme. Vorgesetzte hätten akzeptiert, dasssich Rekruten freiwillig als «Geisel» zur Verfügung stellten. DieÜbung sei unprofessionell verlaufen. Es soll Verletzte gegeben haben.Drei Wehrpflichtige hätten sich wegen Traumatisierung krank gemeldet.

Militärs und Politiker halten die Misshandlungen nicht für einstrukturelles Problem der Bundeswehr. Dennoch sollen Ausbildung undDienstaufsicht als Kardinalfrage angesehen und künftig schärferkontrolliert und verbessert werden. Struck sagte: «Die Dienstaufsichtist das A und O für jeden Vorgesetzten.» Für Vernachlässigungen gebees keine Entschuldigung. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhansprach von Alarmzeichen. Pflicht der Kommandeure sei, Missstände zuerkennen. Zentrales Thema der Ausbildung sei die Menschenwürde.

Struck warnte aber davor, die Bundeswehr nun unter Generalverdachtzu stellen. «Wir haben 130 000 Rekruten und 12 000 Ausbilder. Davonwerden jetzt 30 bis 40 überprüft.» Es gebe immer Menschen, die sichnicht an die Gesetze hielten. Entscheidend sei, Verstößenunnachgiebig nachzugehen. Gegen vier beschuldigte Ausbilder imnordrhein-westfälischen Coesfeld hat die Bundeswehr die fristloseEntlassungen beantragt. Zuvor waren bereits 18 Ausbilder aus Coesfeldvom Dienst suspendiert worden. Struck: «Mir ist unerklärlich, wieAusbilder auf solche Ideen kommen können.» Es gebe aber Hinweise,dass die Ausbilder die Wirkung ihrer Übung unterschätzt hätten.

Bei den Misshandlungsfällen geht es nicht immer um Malträtierungenvon Rekruten, sondern auch um Übungen für Zeitsoldaten. Insofernseien jüngst bekannt gewordene Fälle nicht mit den Verstößen in derAusbildungskompanie Coesfeld zu vergleichen, wo Wehrpflichtige mitStromschlägen und Schlägen malträtiert wurden, sagten Mitglieder desVerteidigungsausschusses. Insgesamt wurde aus dem Ausschuss von 14Verdachtsfällen von Misshandlungen berichtet.

Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei sagte, die einsatznaheAusbildung sei dringend nötig. «Sonst dürften wir die Soldaten nichtin diese Einsätze schicken.» Die Frühwarnung vor Missbrauch habe abernicht funktioniert. Dennoch seien die Vorfälle «nicht die Spitze desEisbergs». Es zeige sich «kein typisches Verhalten von Soldaten,sondern das Gegenteil».

Der Verteidigungsexperte der Union, Christian Schmidt (CSU),sagte, der Wandel zur Einsatzarmee sei bei vielen Soldaten mentalnoch nicht verarbeitet worden. Nicht jeder Fall sei aber «sogravierend, dass sich das Parlament damit befassen muss». LautHeeresinspekteur Hans-Otto Budde sind die Misshandlungen nicht Folgeder Auslandseinsätze.