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Bundeswehr Bundeswehr: Schwule wagen sich aus der Deckung

Von Kristina Dunz 22.01.2008, 07:56
Sollten diese Bundeswehrsoldaten homosexuell sein, so spielt dies keine Rolle. Ein Verhaltenskodex untersagt Diskriminierung anhand der sexuellen Neigung. (Foto: ddp)
Sollten diese Bundeswehrsoldaten homosexuell sein, so spielt dies keine Rolle. Ein Verhaltenskodex untersagt Diskriminierung anhand der sexuellen Neigung. (Foto: ddp) ddp

Berlin/dpa. - «Was glaubst du, wie viele das wären?»fragt der 29-Jährige in der Januar-Ausgabe des Blattes. Wie vieleHomosexuelle in den Streitkräften dienen, weiß niemand. Sexualitätist kein Auswahlkriterium bei der Bundeswehr. Für GeneralinspekteurWolfgang Schneiderhan zählt nur eines: ein offener Umgang auch mitSchwulen und Lesben und keinerlei Diskriminierungen.

Dies ist nur ein Punkt von vielen der nun erstmals seit 1993überarbeiteten Zentralen Dienstvorschrift «Innere Führung» - dasethische Regelwerk für das Verhalten der Soldaten als Staatsbürger inUniform. Wesentliche Änderungen gibt es nach Angaben desVerteidigungsministeriums unter anderem beim «Betonen vonPersönlichkeitsbildung, ethischer und interkultureller Kompetenz undmoralischer Urteilsfähigkeit». Neu aufgenommen wurde das«Gestaltungsfeld Vereinbarkeit von Familie und Dienst.»

Die Bundeswehr stelle weiterhin hohe Anforderungen an dieMobilität und Flexibilität der Soldaten. Im Gegensatz zu früher seienaber deren Ehefrauen vielfach erwerbstätig und damit häufigortsgebunden. «Wir reagieren auf das gravierend veränderteWerteverständnis in unserer Gesellschaft. Wir versuchen, uns auf neueLebensformen einzustellen», sagt Vier-Sterne-General Schneiderhan.«Dazu gehört durchaus die Öffnung für Homosexuelle.»

Mit der heutigen Führungskultur hätte es eine Affäre nie gegeben:Vor fast 25 Jahren wurde der Vier-Sterne-General Günter Kießling derHomosexualität bezichtigt, als «Sicherheitsrisiko» eingestuft und vomdamaligen Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) vorzeitigpensioniert. Die «Vorwürfe», die der Militärische Abschirmdienst(MAD) kolportiert hatte, ließen sich aber nie belegen. Kießling wurderehabilitiert, kurzzeitig wieder eingestellt und dann ehrenhaft inden Ruhestand versetzt. Heute dürfte einem Soldaten Homosexualitätgar nicht erst zum Vorwurf gemacht werden.

1994 schaffte der Bundestag den Paragrafen 175 im Strafgesetzbuchab. Nach dem bis dahin geltenden sogenannten «Schwulenparagrafen»waren homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18Jahren strafbar. Bei der Armee galt: Schwule durften zwar dienen,wurden aber als charakterlich ungeeignet für die Offizierslaufbahngehalten.

Im Jahr 2000 veröffentlichte der damalige Generalinspekteur HaraldKujat einen Erlass zum Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr.Anlass war die Öffnung der Streitkräfte für Frauen. Aber er forderteauch einen toleranten Umgang mit Homosexuellen ein. Mit diesem neuenGeist trauten sich viele Schwule aus der Deckung. 2002 gründete sichder «Arbeitskreis homosexueller Angehöriger der Bundeswehr».

Dessen Vorsitzender Jan Trautmann kann die frühere Denkweise nichtmehr nachvollziehen. Schwule hätten als erpressbar gegolten, weil eseine Drohung war, ihre sexuelle Einstellung öffentlich zu machen.«Damit kann man uns nicht mehr drohen.» Gegen Verunglimpfungen vonschwulen Soldaten gingen heute die Vorgesetzten vor, sagt der 36-Jährige. «In den 90er Jahren war das noch ganz anders.» DerHauptbootsmann, der vor 17 Jahren zur Bundeswehr kam, hat sicherst später «geoutet» und dann «nie negative Erfahrungen gemacht».Nur noch von Truppeneinheiten wie den Fallschirmspringern hieltensich viele Schwule lieber fern.

Die heutigen Probleme ranken sich vor allem um Bürokratie. SchwuleMänner, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben, bekommenkeinen Familienzuschlag, kein Trennungsgeld und keineHinterbliebenen-Rente. «Der Partner steht vor dem Nichts, als würdeer gar nicht existieren», sagt Trautmann. Sein Arbeitskreis kämpftfür die Gleichberechtigung auch bei Finanz- undSteuerangelegenheiten. Um die menschliche Anerkennung muss er sichnicht mehr sorgen: «Ich kann ganz normal sagen kann, dass ich miteinem Mann zusammenlebe.»