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Bundeswehr-Jahresbericht Bundeswehr-Jahresbericht: Zu wenig Personal, verschimmelte Duschen, kaputte U-Boote

Von Thorsten Knuf 20.02.2018, 15:53
Bei der Bundeswehr gibt es dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten zufolge aktuell viel zu reparieren. (Symbolbild)
Bei der Bundeswehr gibt es dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten zufolge aktuell viel zu reparieren. (Symbolbild) AFP

Berlin - Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), hat ein düsteres Bild vom Zustand der Bundeswehr gezeichnet. Trotz der von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) proklamierten Trendwende gebe es in der gesamten Truppe nach wie vor große Lücken bei der Ausstattung mit Personal und Material, sagte Bartels am Dienstag bei der Vorlage seines neuesten Jahresberichts in Berlin. Die eingeleiteten Reformen griffen noch nicht in ausreichendem Maße.

Die materielle Einsatzbereitschaft der Truppe sei in den vergangenen Jahren „nicht besser, sondern tendenziell noch schlechter geworden“, beklagte Bartels. Die Fähigkeiten der Bundeswehr zum Lufttransport etwa seien mittlerweile so schwach, dass bei Flügen in die Einsatzgebiete und aus ihnen heraus tagelange Verspätungen und Flugabsagen beinahe die Normalität seien.

Der Leopard-2-Kampfpanzer ist Deutschlands schwerstes Geschütz. 244 Exemplare hat die Bundeswehr, nur 95 Panzer sind aber einsatzbereit. Das geht aus dem Jahresbericht 2017 hervor. Demnach seien Werkstattaufenthalte wegen Umrüstungen und Reparaturen ein Grund für die niedrige Einsatzquote. Sicherheitsexperte Torben Schütz von der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ hat eine andere Erklärung für die Probleme: „In der Prioritätenliste der Bundeswehr stand er in den vergangenen 20 Jahren nicht weit oben.“ Deutschland habe bei den Auslandseinsätzen – außer beim Einmarsch in den Kosovo 1999 – keine Leopard-2-Panzer eingesetzt. Waffen wie minengeschützte Fahrzeuge rückten in den Vordergrund. „Man hat wohl in dem Zeitraum zu wenig Ersatzteile für den Leopard 2 gekauft“, vermutet Schütz. „Diese Ersatzteile kauft man nicht im nächsten Baumarkt.“ (mmi.)

Es fehlt an Ausstattung wie Schutzwesten, Winterbekleidung und Zelten. Das geht aus einem Papier des Verteidigungsministeriums hervor, das der „Rheinischen Post“ vorliegt. Dort heißt es beispielsweise, dass für den Zeitraum von 2018 bis 2020 etwa 10000 „Unterbringungseinheiten“, also Zelte, gebraucht würden. 2500 Stück stünden zurzeit zur Verfügung. Die seien für den Nato-Einsatz, bei dem sie genutzt werden sollen, aber gar nicht geeignet. Die Bundeswehr übernimmt 2019 die sogenannte „schnelle Speerspitze“ der Nato. Jens Flosdorf, Sprecher des Verteidigungsministeriums, wiegelte auf der Bundespressekonferenz am Montag ab: Es sei üblich, in der Vorbereitung auf solche Aufgaben festzuhalten, was gebraucht würde. „Das heißt nicht, dass die benötigte Ausrüstung in der Bundeswehr grundsätzlich nicht verfügbar oder in dem gebotenen Zeitraum nicht beschaffbar ist.“ (elb.)

Pannen und Verzögerungen zeigen sich auch beim neuen Fregattentyp F125. Die Fregatten der sogenannten „Baden-Württemberg-Klasse“ sollten eigentlich Vorzeigestücke werden: Fast 150 Meter lang, etwa 7000 Tonnen schwer, Kosten von rund 650 Millionen Euro pro Schiff. Aber auch sie haben Mängel: Nachdem sich beim Funktionstest der „Baden-Württemberg“, dem ersten Schiff der Reihe, Probleme mit Hard- und Software zeigten, muss das Herstellerkonsortium unter ThyssenKrupp nachbessern. Dazu wurde die „Baden-Württemberg“ Mitte Januar zur Reparatur in eine Hamburger Werft gebracht. Aber auch beim zweiten Schiff der Reihe, der „Nordrhein-Westfalen“, soll es laut „Spiegel“ Probleme geben. Wenn alles glatt läuft, sind die beiden Schiffe im Verlauf des Jahres 2018 einsatzbereit. Zwei Jahre zu spät – ursprünglich sollte die neue Fregatte bereits 2016 eingesetzt werden. (elb.)

Auch beim Transportflugzeug A400M gibt es massive Probleme. Dabei gilt es als modernstes militärisches Transportflugzeug der Welt. Bekannt ist es mittlerweile allerdings eher als „Pannenflieger“, der etwa im Februar 2017 schlappmachte. Damals ausgerechnet mit an Bord: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie erlebte mit, wie bei ihrem ersten Flug mit dem A400M der Militärtransporter mit einem Triebwerkschaden im litauischen Kaunas liegen blieb. Bisher hat die Bundeswehr 16 Maschinen dieses Flugzeugtyps erhalten. Insgesamt hat sie 53 Maschinen bei Airbus bestellt, um die alten Transportflugzeuge vom Typ Transall zu ersetzen. Aber nur äußerst selten kann die Luftwaffe den Airbus tatsächlich benutzen. „Zum Ende des Berichtsjahrs stand zeitweise keine der in Dienst gestellten 14 Maschinen für den Einsatz bereit“, heißt es im Bundeswehr-Jahresbericht. (mmi.)

Die Bundeswehr ist derzeit in 13 mandatierten Auslandseinsätzen aktiv, etwa in Afghanistan, Mali oder im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition. Hinzu kommen Einsätze der kollektiven Verteidigung in Europa, zum Beispiel die Luftraumüberwachung im Baltikum oder die Beteiligung an der schnellen Eingreiftruppe der Nato. Der deutsche Verteidigungsetat war nach dem Ende des Kalten Krieges kontinuierlich geschrumpft, erst seit 2016 steigt er wieder. Ministerin von der Leyen und ihre Mitarbeiter sind derzeit vor allem damit beschäftigt, die Verwaltungsstrukturen der Bundeswehr so zu verändern, dass das zusätzliche Geld auch zielgerichtet ausgegeben werden kann.

U-Boote außer Betrieb, Flugzeuge bleiben am Boden

Bartels sagte, zum Jahresende seien sechs von sechs deutschen U-Booten außer Betrieb gewesen. Zeitweise sei von 14 mittlerweile in Dienst gestellten Transportmaschinen vom Typ A-400M kein einziger geflogen. Auch bei anderen Flugzeugtypen komme es zu massiven Ausfällen, die Besatzungen könnten oft nicht ihre Flugstunden für die Ausbildung absolvieren. Bei der Marine gebe es das gleiche Bild, sagte Bartels: „Das Ausmustern alter Schiffe klappt reibungslos, termingerecht. Aber die Indienststellung neuer Schiffe klappert um Jahre hinterher.“ Auch bei einfachen Ausrüstungsgegenständen gebe es einen dramatischen Mangel. Ständig müssten sich Einheiten der Bundeswehr Dinge aus anderen Verbänden borgen. Es gebe ein regelrechtes „System des Hin- und Herleihens“.

Über den Personalmangel in der Truppe sagte der Wehrbeauftragte: „Oberhalb der Mannschaftsebene sind 21.000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren nicht besetzt.“ Weil so viel Personal fehle, bleibe die Arbeit an jenen Soldatinnen und Soldaten hängen, die da sind. „Das führt nicht selten zu Überlast und Frustration.“

Piloten, Kampf- und Minentaucher fehlen

Wie aus dem Jahresbericht hervorgeht, ist der Personalmangel besonders groß in Verwendungen, die mit extremen körperlichen Anforderungen oder mit speziellen Fachtätigkeiten verbunden sind – zum Beispiel Piloten, Kampfschwimmer oder Minentaucher. Es fehlt aber auch an Experten für Computer und Elektronik. Zum Mangel an Material schreibt Bartels in seinem Bericht: „Bei fast allen Truppenbesuchen heißt es, dass von der Trendwende Material bisher nichts oder fast nichts zu spüren ist.“

Das betreffe nicht nur Waffen, sondern auch relativ simple Ausrüstungsgegenstände. Bartels Bericht geht hier sehr ins Detail: So habe es aus mehreren Standorten etwa Klagen gegeben, dass es an Schutzkleidung gegen Zeckenbisse fehle. Ein Soldat monierte in einer Beschwerde, dass die Lieferzeiten für Ersatz-Diensthosen bei der Marine zu lang seien. „Bemängelt wurden auch gänzlich fehlende Bekleidungsstücke: So existieren keine zum Dienstanzug passenden winterfesten Kopfbedeckungen, die gegen Kälte und Wind schützen.“ Schirmmützen für Marinestabsoffiziere seien 2017 „nahezu ein halbes Jahr lang nur in den Größen 55 und 62 verfügbar gewesen“. Die Versorgung der Truppe mit Schutzwesten bleibe ungenügend.

Kaputte Duschen, verschimmelte Sanitäranlagen

Auch der Zustand vieler Kasernen und sonstiger Bundeswehr-Immobilien lässt zu wünschen übrig. Bei Bartels gingen im vergangenen Jahr unter anderem Beschwerden über kaputte Duschen, verschimmelte Sanitäranlagen und heruntergewohnte Unterkünfte ein. Ein Soldat beschwerte sich, dass er und seine Kameraden regelmäßig auf eigene Rechnung Reinigungsmittel für ihre Unterkunft kaufen sollten. Außer Eimern und Putzgeräten sei ihnen nichts zur Verfügung gestellt worden. „Stattdessen sei Ungezieferspray in XXL-Dosen aufgestellt worden“, heißt es in dem Bericht.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, sagte am Dienstag, die Truppe sei ausreichend ausgerüstet, um ihre Bündnis- und Einsatzverpflichtungen zu erfüllen. Die Soldaten leisteten einen hervorragenden Dienst. „Mir jedenfalls sind sowohl in Deutschland als auch von unseren Verbündeten keine Klagen zu Ohren gekommen.“

Zuletzt war bekanntgeworden, dass es den Einheiten, die an der schnellen Eingreiftruppe der Nato teilnehmen sollen, unter anderem an Panzern, Schutzwesten, Winterbekleidung und Zelten fehle. Wieker sagte, bis zur Mitte dieses Jahres sei der Verband planmäßig aufgestellt und ausgestattet. Der Wehrbeauftragte Bartels sagte zu Wiekers Einlassung: „Wenn er gesagt hat, es wird alles da sein, dann wird das auch so sein. Es fehlt dann anderswo.“