Bundeswehr in Afghanistan Bundeswehr in Afghanistan: Innenpolische Debatte über Soldaten-Ausrüstung

Berlin/Kabul/dpa. - Sie forderte die Regierung auf, dieangepeilte Ausweitung des Einsatzes über Kabul hinaus zu streichenoder zumindest zu verschieben. Verteidigungsminister Peter Struck(SPD) lehnte dies ab. Die Bundeswehr zog gleichwohl am Montag ersteKonsequenzen aus dem Anschlag, dessen Drahtzieher noch unbekanntwaren.
Der Transport von Soldaten in Bussen in der afghanischenHauptstadt sei weitgehend ausgesetzt worden, sagte ein Sprecher desEinsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam der dpa. Zudem seiumgehend nach der Tat die Befehlslage zum Eigenschutz der Soldatenverschärft worden. An diesem Dienstag wird es auf dem Flughafen vonKöln-Wahn eine Trauerveranstaltung für die Toten geben, zuvor amfrühen Morgen in Kabul.
In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wandtesich Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gegen ein martialischesAuftreten in Kabul: «Der Einsatz schwerer Panzer in den belebtenStraßen wird dem Stabilisierungsauftrag der internationalenStaatengemeinschaft nicht gerecht.»
Nach seinen Angaben gibt es nach wie vor keine gesichertenErkenntnisse über die Drahtzieher des Anschlags. Vor Ort ermittelnbereits Beamte des Bundeskriminalamts. Nach Einschätzung derafghanischen Polizei gehören das Terrornetzwerk El Kaida undverbliebene Kämpfer des ehemaligen Taliban-Regimes zu denwahrscheinlichen Hintermännern. Bis zum Montagabend hatte sichniemand zu dem Anschlag bekannt.
Konkrete Hinweise auf einen Selbstmordanschlag gab es nach Angabender Bundeswehr nicht. Der angegriffene Bus war zwar ungepanzert, dieSoldaten trugen aber Splitterschutzwesten. Struck wies die Kritik vonCSU-Chef Edmund Stoiber zurück, der von einer mangelndenSicherheitsausstattung der Soldaten gesprochen hatte. Es habe keineHinweise auf einen Anschlag gegeben.
«Ich kann nicht erkennen, dass wir fahrlässig gehandelt haben»,sagte Struck. «Wir können uns nicht dagegen schützen, dass hier undda einzelne Attentäter sich mit enormen Mengen Sprengstoff in dieLuft sprengen», sagte der Sprecher des deutschen ISAF-Kontingents inKabul, Major Günther Bender.
Trotz des Attentats soll das Erkundungsteam der Bundeswehr andiesem Dienstag nach Afghanistan starten, um herauszufinden, ob eineAusweitung des Einsatzes über Kabul hinaus möglich ist. Nach der 10-bis 14-tägigen Reise der Experten will die Regierung eineEntscheidung treffen und die Zustimmung des Bundestags einholen.
Die Union warnte Struck und die Bundeswehrführung dringend davor,«nach dem Terroranschlag von Kabul zur Tagesordnung überzugehen». Derverteidigungspolitische Fraktionssprecher Christian Schmidt (CSU)sagte der dpa: «Wenn jetzt keine intensive Debatte über dieSicherheitsphilosophie der Afghanistan-Schutztruppe geführt wird,dann wird die Zustimmung im Bundestag und in der Öffentlichkeit zuden Auslandseinsätzen nicht mehr so selbstverständlich sein wievorher.»
Zu den Forderungen nach besserem Schutz der Soldaten betonteSchneiderhan: Auftrag sei es, Stabilität zu gewährleisten undVertrauen zu schaffen. «Das geht nicht vom Panzer herab.»
Die Bundeswehr stellt für die ISAF knapp 2400 Mann. Mit demAnschlag vom Samstag sind in Afghanistan insgesamt 14 deutscheSoldaten eines nicht natürlichen Todes gestorben.
Zwei Tage nach dem Attentat waren am Montag alle verletztenSoldaten bis auf einen wieder in Deutschland. Keiner ist nachBundeswehr-Angaben noch in Lebensgefahr. Drei Verletzte trafen amVormittag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein ein und wurden zurBehandlung ins pfälzische US-Militärhospital Landstuhl gebracht.Schon am Sonntagabend waren 25 teilweise sehr schwer verletzte Männerzurückgekehrt. Ein lediglich leicht verletzter Soldat soll nocheinige Tage in Kabul bleiben.
Bei dem Anschlag war ein mit Sprengstoff beladenes Taxi nebeneinem von zwei Bussen mit deutschen Soldaten explodiert. Diese warenauf dem Weg zum Flugplatz und wollten nach Hause fliegen.
US-Präsident George W. Bush sprach Bundeskanzler Gerhard Schröderim ersten persönlichen Telefonat seit Monaten das Beileid desamerikanischen Volkes aus. Auch der afghanische Präsident HamidKarsai und Frankreichs Präsident Jacques Chirac äußerten sichbestürzt. Bundespräsident Johannes Rau, Kanzler Schröder,Außenminister Joschka Fischer sowie Spitzenpolitiker von Union undFDP drückten Hinterbliebenen und Angehörigen ihr Mitgefühl aus.
