Bundeswehr Bundeswehr: Fahrzeuge aus Afghanistan auf See

Istanbul/Trabzon/dpa - Die Frontpartie des „Wolfs“ ist eingedellt, die Scheibe gesprungen. Die Beifahrerseite des gepanzerten Geländewagens ist eingedrückt, die Motorhaube hängt lose an der Karosserie. An dem „Wolf“ sind selbst im fernen Trabzon die Folgen des Krieges in Afghanistan zu sehen, wo er in eine Sprengfalle geraten war. In dem türkischen Schwarzmeerhafen wurde der Wagen am Montag zusammen mit 150 weiteren überwiegend deutschen Fahrzeugen auf die dänische Fähre „Suecia Seaways“ verladen. Es ist das erste Fahrzeug-Kontingent, das die Bundeswehr aus Afghanistan zurück in die Heimat verschifft.
In weniger als eineinhalb Jahren endet der Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan, die Bundeswehr zieht einen Großteil ihrer Soldaten und ihres Materials ab. Rund 1200 meist gepanzerten Fahrzeuge - viele Typen tragen Tiernamen wie „Dingo“, „Marder“, „Fuchs“ oder eben „Wolf“ - will die Truppe zurückbringen. Es ist eine im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Menge an Kriegsgerät. Eine Panzerhaubitze 2000 wiegt gute 50 Tonnen, viele andere Fahrzeuge bringen zwischen zehn und 15 Tonnen auf die Waage. Sie waren einst in Feisabad oder am Außenposten OP North, in Kundus oder in Masar-i-Scharif eingesetzt. Oft haben sie einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich.
Abzug aus Kundus im Herbst
Feisabad und der OP North sind bereits geschlossen, aus Kundus will die Bundeswehr im Herbst abziehen. Dann bleibt nur noch das Camp Marmal am Flughafen Masar-i-Scharif. In das Camp - das zugleich das nordafghanische Hauptquartier der Schutztruppe Isaf ist - wurden die Fahrzeuge in den vergangenen Monaten über die Straße gebracht. In der dortigen „Materialschleuse“ bereiteten Soldaten sie für den Transport nach Trabzon oder direkt in die Heimat vor. Ein mühseliger Prozess, bei dem ABC-Abwehrkräfte jedes Einzelteil mit Tierseuchenprophylaxe behandeln - EU-Vorschriften machen das notwendig.
Danach rollen die Fahrzeuge nur einige Meter weiter zum sogenannten Luftumschlagplatz und dort in den Bauch der riesigen Antonow-Transportflugzeuge, die die Bundeswehr gechartert hat. Die Luftbrücke nach Trabzon steht seit April, derzeit landen dort monatlich etwa 60 Flugzeuge aus Masar-i-Scharif.
Material und Waffen werden per Flugzeug transportiert
85 Prozent allen Materials, das die Bundeswehr bis zum Auslaufen der Isaf-Mission Ende 2014 zurück in Richtung Heimat schickt, soll durch den türkischen Schwarzmeerhafen gehen, wo es nach Deutschland eingeschifft wird. Sensibles Material und Waffen - wozu auch die Panzerhaubitze 2000 zählt, weil ihre Kanone nicht abmontiert werden kann - werden mit den Antonows direkt nach Deutschland geflogen.
Die Kosten des in der Bundeswehr-Geschichte beispiellosen Logistik-Unternehmens sind noch nicht absehbar, generell gilt aber: Der Luftweg ist mit Abstand am teuersten, gefolgt vom Transport über Land und dem Seeweg, der günstigsten Variante. Daher war eigentlich geplant, soviel Material wie möglich über ehemalige GUS-Staaten mit der Bahn nach Deutschland zu bringen. Eine relativ neue Bahnlinie verbindet Masar-i-Scharif mit Heiraton in Usbekistan. Logistisch wäre der Abzug über die Schiene aus Nordafghanistan - wo kein Seehafen in der Nähe ist - der einfachste und günstigste Weg gewesen.
Wäre, denn mit den Routen über Land gibt es ein Problem. „Sie funktionieren nicht“, sagte Flottillenadmiral Carsten Stawitzki in Masar-i-Scharif kurz vor Beginn des Rücktransports im Frühjahr. „Bedauerlicherweise sind die bürokratischen Hürden momentan an den Grenzübergängen so hoch, dass es bisher über die letzten Monate überhaupt nicht gelungen ist, auch nur einen einzigen Eisenbahntransport über die Landlinie nach Deutschland zu bekommen.“
Nato-Folgeeinsatz zur Ausbildung und Unterstützung
Also hat die Bundeswehr umdisponiert, jetzt geht das meiste Material eben über die sogenannte Blaue Platte - das Bundeswehr-Areal im Hafen von Trabzon. Ein anderer Punkt könnte den Logistikern allerdings noch Kopfschmerzen bereiten: Nach dem Ende der Isaf-Mission ist ein Nato-Folgeeinsatz zur Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte vorgesehen. Deutschland will sich daran mit bis zu 800 Soldaten beteiligen.
Wie genau der Einsatz mit dem Arbeitstitel „Resolute Support“ („Entschlossene Unterstützung“) ausgestaltet werden soll, ist aber immer noch völlig unklar - obwohl die Zeit für die Planung dieser Mission knapp wird. Unklar ist damit auch, welche Fahrzeuge und andere Materialien die Bundeswehr nach 2014 noch am Hindukusch benötigen wird. Dieses Kriegsgerät sollte dann tunlichst nicht bereits zurück nach Deutschland gebracht worden sein. Sonst - und das will die Bundeswehr unbedingt verhindern - müsste es ein weiteres Mal auf den langen Weg nach Afghanistan geschickt werden.