Bundesverwaltungsgericht Bundesverwaltungsgericht: Muslimische Lehrerin darf Tuch nicht tragen

Berlin/dpa. - «Die Pflicht zu strikter Neutralität im Bereich der staatlichenSchule wird verletzt, wenn eine Lehrerin im Unterricht ein Kopftuchträgt», urteilten die Bundesrichter. Das Kopftuch sei ein deutlichwahrnehmbares Symbol einer bestimmten Religion, selbst wenn seineTrägerin keinerlei missionarische Absicht damit verfolge und dasKopftuch nur aus eigener Glaubensüberzeugung trage. Wegen derVorbildfunktion, die eine Lehrerin an Grund- und Hauptschulen ausübe,dürfe sie den in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigten Schülernkeine bestimmte Glaubensüberzeugung ständig und unübersehbar vorAugen führen.
In der immer mehr von multikulturellen Einflüssen geprägtenGesellschaft gelte das Gebot der Neutralität gegenüberunterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen in staatlichenPflichteinrichtungen umso mehr, sagte der Vorsitzende Richter deszweiten Senats, Peter Silberkuhl. Jeder Schüler habe auf Grund seinerReligionsfreiheit Anspruch darauf, vom Staat nicht dem Einfluss einerfremden Religion, auch in Gestalt eines Symbols, ausgesetzt zuwerden. Auch die Eltern religionsunmündiger Schüler könntenverlangen, dass der Staat sich in religiösen und weltanschaulichenFragen neutral verhält.
Silberkuhl wies darauf hin, dass gerade Kinder im Grundschulaltermental noch relativ leicht zu beeinflussen seien. Ein Kopftuch, dassymbolisch eine religiöse Überzeugung ausdrücke, könnte durchaus sowirken. «Für ein islamisches Kopftuch gilt nichts anderes als fürjedes andere religiöse Symbol auch.»
Die 30-jährige Lehrerin Fereshta Lubin, die 1998 ihr zweitesStaatsexamen in Baden-Württemberg ablegte, unterrichtet zur Zeit aneiner islamischen Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Sie zeigte sichbestürzt über das Urteil, ließ aber offen, ob sieVerfassungsbeschwerde einlegen will. «Ich hoffe, dass das Urteilnicht zu einer Diskriminierungswelle führt», sagte sie anschließend.Sie betonte, dass für sie das Tragen einer Kopfbedeckung in derÖffentlichkeit eine Selbstverständlichkeit sei. «Ich bedecke damitmeine Reize.» Der Sprecher des Stuttgarter Oberschulamts, StefanReip, begrüßte die Entscheidung.
Der Anwalt der Lehrerin, Hansjörg Melchinger, sagte in derVerhandlung: «Es kommt nicht darauf an, was die Lehrerin auf dem Kopfhat, sondern was sie im Kopf hat.» Der Tübinger Professor fürÖffentliches Recht, Ferdinand Kirchhof, der das Land Baden-Württemberg vertrat, sagte: «Ein bisschen Kopftuch, das geht indiesem Fall nicht.»
Auch für den Bundesvertreter, Prof. Hans-Dietrich Weiß, standfest: «Das Kopftuch ist ein Symbol». Gewiss werde Lehrern keineabsolute Neutralität in weltanschaulichen Fragen abverlangt. «Auchdem Bundespräsidenten ist es erlaubt, aus seinem christlichen Herzenkeine Mördergrube zu machen.» Doch mit dem Tragen eines Kopftuchsverlasse die Klägerin die Grenze der gelockerten Neutralitätspflicht.Der Fall sei vergleichbar mit der Kruzifix-Entscheidung desBundesverfassungsgerichts. «Ist der staatliche Unterricht unter demKreuz verwehrt, muss es auch verwehrt sein, staatlichen Unterrichtunter dem Shador zu betreiben.»