Wahlkampfauftritte Bundestagswahl 2017: Flüchtlingspolitik momentan kein Thema bei Angela Merkel
Berlin - Noch vor wenigen Monaten spaltete das Thema Flüchtlinge Deutschland, im Wahlkampf aber spielt es bisher so gut wie keine Rolle. In jeder neuen Meinungsumfrage zeigt sich, dass es derzeit andere Themen sind, die die Menschen beschäftigen, und Kanzlerin Angela Merkel hat kein Interesse daran, dass das Thema erneut hochkocht.
Sie wolle sich nicht vor der Flüchtlingspolitik drücken, versicherte sie kürzlich anlässlich des Besuchs von UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi und dem Chef der Internationalen Organisation für Migration, William Lacy Swing, in Berlin. „Themen, die wir bearbeiten, werden wir nicht aus dem Wahlkampf heraushalten können und werden wir auch nicht aus dem Wahlkampf heraushalten wollen“, sagte Merkel. Beide Besucher lobten die Kanzlerin und ihre humane Politik der Grenzöffnung im Herbst 2015 in den höchsten Tönen, Merkel war sichtlich geschmeichelt.
Merkel und Seehofer noch immer verschiedener Meinung
Selbst Horst Seehofer hält sich derzeit bei der Flüchtlingspolitik zurück. Auf die Frage, ob er einen Koalitionsvertrag auch dann unterzeichnen werde, wenn er das das Wort Obergrenze nicht enthalte, sagte der CSU-Chef am Wochenende in einem Fernsehinterview: „Nein, nein, so einfach ist Politik nicht. Die Situation hat sich verändert. Der Kurs in Berlin hat sich verändert.“ Es gebe jetzt deutlich weniger Zuwanderung in Deutschland, im ersten Halbjahr seien es weniger als 100.000 Menschen gewesen. Sein Festhalten an einer Begrenzung der Zuwanderung auf 200.000 Menschen im Jahr hatte das Verhältnis zur CDU schwer belastet. Merkel lehnt dies bis heute ab. „Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Das heißt, ich werde sie nicht akzeptieren“, bekräftigte die Kanzlerin kürzlich.
„Die 200.000 bleiben“
Die CSU bemühte sich eilends, die Aussagen Seehofers abzuschwächen. „Kein Abrücken von der Obergrenze“ twitterte die Partei noch am gleichen Abend, „die 200.000 bleiben“. Der Schaden war aber schon angerichtet. „Horst Seehofer spielt taktisch mit Themen und damit mit Menschen“, warf Martin Schulz, Kanzlerkandidat der SPD, Seehofer vor. „Der Wähler weiß nicht, was er bekommt: Die Obergrenze mit Seehofer oder keine Obergrenze, wie Merkel es versprochen hat“, kritisierte auch die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt.
Am Montag bekamen sie - ungewollt - Unterstützung von der entgegengesetzten Seite des politischen Spektrums. Das sei klassische CSU-Politik, sagte AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland am Montag in Berlin. Erst formuliere man etwas schärfer als die CDU, um dann wieder der Fußabtreter von Angela Merkel zu sein.
AfD stellt Asylpolitik vor
Gemeinsam mit der zweiten Spitzenkandidatin seiner Partei, der baden-württembergischen Politikerin Alice Weidel, stellte Gauland ein Konzept zur Asylpolitik vor, flankiert wurde es von Forderungen zur Entwicklungspolitik. Geht es nach der AfD, soll die Mittelmeerroute, über die in den vergangenen Monaten die meisten Flüchtlinge nach Europa kamen, sofort komplett abgeriegelt werden. Ab dem 1. September sollten stattdessen Asylzentren in nordafrikanischen Ländern errichtet werden, in denen alle Flüchtlinge und Migranten ihre Asylanträge stellen müssen – eine Forderung, die auch Politiker aus Union und SPD immer wieder erheben.
„Die Flüchtlingskrise ist mitnichten überwunden“, sagte Weidel, bereits im kommenden Jahr sei damit zu rechnen, dass wieder sehr viel mehr Menschen kämen, weil dann die Suspendierung des Familiennachzugs für hier lebende Flüchtlinge ende. Weil sich gerade in Afrika die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 verdoppeln werde, sei mit einem „Massenansturm auf Europa und Deutschland“ zu rechnen, glaubt die AfD. Sie fordert eine Abschaffung des geltenden Asylrechts.
„Deutschland zuerst“
Die deutsche Marine müsse dafür eingesetzt werden, gemeinsam mit Italien und Libyen die irreguläre Migration über das Mittelmeer zu stoppen, lautet eine weitere Forderung der AfD. Flüchtlinge, die vor Libyen aufgegriffen werden, sollten in andere nordafrikanische Länder wie Tunesien und Marokko gebracht werden, verlangte Weidel. Wie aber sollen diese Staaten dazu gebracht werden, Menschen aufzunehmen, die gar nicht von dort geflohen sind? Gauland schlug auf Nachfragen vor, den diplomatischen Druck zu erhöhen und im Zweifelsfalle die Entwicklungshilfe zu kürzen. Er berief sich dabei indirekt auf US-Präsident Donald Trump. „Es kann auch mal „Deutschland zuerst“ heißen“, sagte Gauland.