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Bundestag Bundestag: Gerhard Schröder verliert wie geplant das Vertrauen

01.07.2005, 10:02
Bundeskanzler Gerhard Schröder richtet am Freitag (1. Juli 2005) auf der Regierungsbank des Bundestages im Berliner Reichstgasgebäude seine Krawatte, bevor er vor dem Plenum seine Erklärung zur Vertrauensfrage abgibt. (Foto: dpa)
Bundeskanzler Gerhard Schröder richtet am Freitag (1. Juli 2005) auf der Regierungsbank des Bundestages im Berliner Reichstgasgebäude seine Krawatte, bevor er vor dem Plenum seine Erklärung zur Vertrauensfrage abgibt. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Er behält sich laut Präsidialamt wegen der «komplexen» Fragen vor, die Frist voll auszuschöpfen. Die Union sieht nun Chancen für einen Machtwechsel.

Am Vormittag hatte der Bundestag zum dritten Mal in der Geschichteder Bundesrepublik den Weg zu einer vorgezogenen Bundestagswahleröffnet. Schröders Vorgehen hatte einen tiefen Riss durch dieFraktionen von SPD und Grünen bewirkt, was sich imAbstimmungsergebnis widerspiegelte. Trotz der Bitte der SPD-Spitze umEnthaltung sprachen Schröder 151 Abgeordnete der Koalition dasVertrauen aus. 148 enthielten sich - darunter auch Schröder undandere Bundesminister. Die SPD verfügt über 248 Sitze, die Grünenüber 55. Mit Nein stimmten 296 Parlamentarier. Dies entspricht denSitzen der Opposition.

Nach wochenlangem Rätselraten über seine Motive begründeteSchröder in einer 29-minütigen Rede den Schritt mit mangelndemRückhalt und «klar abweichenden Positionierungen» in der rot-grünenKoalition. Er könne nicht mit dem notwendigen und stetigen Vertrauender Parlamentsmehrheit im Sinne des Artikels 68 Grundgesetz rechnen.Allerdings sind seine Zweifel nicht belegt durch das bisherigeVerhalten der Koalition, die bei allen wesentlichen Abstimmungen inder Vergangenheit hinter ihm stand.

Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz kündigte eine Klage vor demVerfassungsgericht gegen eine etwaige Auflösung des Bundestags durchKöhler an. Er sprach von einem «inszenierten, absurden Geschehen».Schröder sei ein Kanzler, der seiner eigenen Mehrheit nicht mehrvertraue, die in sieben Jahren Regierungszeit nicht ein einziges Malversagt habe. Auch kleine Parteien haben eine Klage angekündigt.

Verfassungsrechtler werteten vor allem die Bemerkung von SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering als kritisch, wonachSchröder weiterhin das volle Vertrauen der SPD-Fraktion habe. DasBundesverfassungsgericht hatte 1983 zur Vertrauensfrage von KanzlerHelmut Kohl (CDU) aus dem Jahr 1982 entschieden, dass dies nur beieiner echten Regierungskrise zulässig sei.

Schröder sagte, das Reformprogramm der Agenda 2010 habe zum Streitin allen Fraktionen geführt. Der für die SPD und ihn persönlich sehrbittere Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Maisei das letzte Glied in einer Kette schmerzlicher Wahlniederlagengewesen. Es sei die Frage gewesen, ob die «volle Handlungsfähigkeit»der Regierung noch gegeben sei. Ohne Ex-Parteichef Oskar Lafontainenamentlich zu erwähnen, erinnerte der Kanzler auch daran, dass Ex-SPD-Mitglieder zur linken Wahlalternative WASG gewechselt seien.Ferner verwies er auf eine «destruktive Blockadepolitik» der Union imBundesrat.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) machte deutlich, dass eineNeuwahl nicht die Idee der Grünen gewesen sei. Seine Parteiunterstütze aber den Kanzler im Sinne einer Erneuerung des Landes.

Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) nutzte ihre Antwortin der insgesamt rund zweistündigen Debatte zur Generalabrechnung mitder Regierung. Sie löste aber auch wegen mehrerer Versprecher in deneigenen Reihen zunächst keine spontane Begeisterung aus. SPD undGrüne hätten sich handlungsunfähig gezeigt, sagte Merkel. DieReformen der Regierung seien ein Schritt in die richtige Richtunggewesen. Das Land vertrage aber keinen «Zickzackkurs», wie Rot-Grünihn fahre. Nötig sei, dass die Union jetzt «mit klaren Verhältnissendurchregieren» könne. «Wir brauchen einen Neuanfang.»

Nach den Worten von CSU-Chef Edmund Stoiber haben CDU, CSU und FDPjetzt gute Aussichten, die Regierungsverantwortung zu übernehmen.FDP-Chef Guido Westerwelle sagte: «Deutschland braucht einen neuenAnfang und das geht nur mit einer neuen Regierung.»

Schröder und Müntefering forderte die SPD auf, jetzt aktiv in denWahlkampf zu gehen. «Ich verspreche Euch, ich komme in jedenWahlkreis und mache Euch dann auch den Fischer», sagte Schröder mitBlick auf die kämpferische Rede von Fischer im Bundestag. Münteferingwarf Merkel soziale Kälte vor.

Der Weg zur Neuwahl des Bundestages (Grafik: dpa)
Der Weg zur Neuwahl des Bundestages (Grafik: dpa)
dpa