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Bundeshaushalt 2002 Bundeshaushalt 2002: Neuer Streit um ein mögliches Defizit

01.09.2002, 20:25
Finanzminister Hans Eichel
Finanzminister Hans Eichel dpa

Berlin/dpa. - Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» rechnendie Fachleute des Finanzministeriums für 2002 mit einem Staatsdefizitdeutlich über drei Prozent. Das Minus von Bund, Ländern, Gemeindenund der Sozialversicherung 2002 werde auf bis zu 3,5 Prozentanwachsen. Grund seien die schrumpfenden Steuereinnahmen undsteigende Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung.

Die Zeitung «Die Welt» und das Magazin «Focus» berichten, dasStatistische Bundesamt habe für das erste Halbjahr ein Defizit von36,29 Milliarden Euro errechnet. Experten hielten es für immerwahrscheinlicher, dass Deutschland das zweite Land neben Portugalwerde, das die Obergrenze des EU-Stabilitätspaktes überschreitenwird. «Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisenerrechnet sich für das erste Halbjahr 2002 eine Defizitquote von 3,5Prozent», sagte der Chef-Volkswirt der WestLB, Ulrich Hombrecher, der«Welt».

   Die Ministeriumssprecherin nannte die Berichte «unverständlich».Es liege dafür noch gar keine Datenbasis vor. Diese werde gerade erstermittelt. Insofern seien die Aussagen «Kaffeesatzleserei». VonHalbjahresergebnissen könne nicht auf das Gesamtjahr geschlossenwerden. Die Bundesregierung erwarte im dritten und vierten Quartaleinen konjunkturellen Aufschwung, der sich auch in der Defizitquoteniederschlagen werden.

   Die Sprecherin wies zugleich die Darstellung des «Spiegels»zurück, wonach Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) den jährlichenBericht nach Brüssel bis nach der Wahl verzögern wolle. DieserBericht, der das absehbare Defizit beziffert, werde zur Zeiterarbeitet, sagte sie. Die aktualisierten Budgetdaten der EU-Ländermüssen bis Anfang September in Brüssel sein.

Laut «Focus» will Eichel in der kommenden Woche in einem Brief anEU-Währungskommissar Pedro Solbes deutlich machen, dass er dieNeuverschuldung bis Jahresende noch unter drei Prozent drücken kann.Vor allem werde in der zweiten Jahreshälfte mit höherenLohnsteuereinnahmen gerechnet, weil viele Arbeitnehmer im JuliGehaltserhöhungen bekommen hätten.

Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte der «FrankfurterAllgemeinen Sonntagszeitung»: «Rot-Grün wird den Maastricht-Vertragin diesem Jahr massiv verletzen.» Ein blauer Brief aus Brüssel werdedamit «zu einer verheerenden Abschlussbilanz» der rot-grünenRegierung. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos meinte in Berlin, essei «peinlich, wie Rot-Grün immer noch versucht, die Menschen mitLegenden über eine angebliche Sparpolitik für dumm zu verkaufen».

Der CDU-Haushaltspolitiker Dietrich Austermann verlangte vonEichel, den internen Halbjahresbericht für Brüssel zuveröffentlichen. «Wir wollen wissen, ob Eichel die Wahrheit gesagthat, oder wie er versucht hat, die Fakten zu vernebeln.»

Der Stabilitätspakt der EU aus dem Jahr 1996 ergänzt den EU-Vertrag von Maastricht und soll sicherstellen, dass der Euro aufDauer eine harte Währung bleibt. Er sieht hohe Bußgelder für Ländervor, deren Haushaltsdefizit drei Prozent des Bruttoinlandsproduktsüberschreitet. Wenn sich ein Land der Defizit-Obergrenze nähert, istals erster Schritt eine Frühwarnung vorgesehen, der so genannte blaueBrief. Das Blaue-Brief-Verfahren ist nicht mit Strafgeldernverbunden.