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Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof: Streit um Richterwahl

22.02.2001, 17:38

Karlsruhe/dpa. - Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) war es, der sich im Landtags-Wahlkampf lautstark Sorgen um die Qualität des BGH gemacht hat. Denn er sieht die Weisheit beim siebenköpfigen Präsidialrat des BGH angesiedelt, der die beiden Kandidaten im üblichen internen Schaulaufen mit der schlechtesten von sechs möglichen Bewertungen versehen hat. Das Votum des Gremiums wird vom Richterwahlausschuss, der sich aus den Landesjustizministern und aus 16 vom Bundestag gewählten Mitgliedern zusammensetzt, in der Regel beachtet - aber eben nicht immer. Die von der SPD vorgeschlagene Vezina und Neskovic, Kandidat der grünen Justizministerin von Schleswig-Holstein, wurden dennoch gewählt.

Der Vorwurf parteipolitischer Protektion kam nicht überraschend nahe, zumal Neskovic aus seinem Engagement - etwa für die Legalisierung weicher Drogen - nie ein Hehl gemacht hat. Doch Vezinas früherer Vorgesetzter, der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts Thomas Dieterich, sagt, sie sei «völlig unpolitisch». Und die 52-jährige Richterin selbst versichert, sie sei zu keiner Zeit SPD-Mitglied gewesen und habe sich noch nie, wie verschiedentlich behauptet, in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen engagiert. Auch bei dem auf den ersten Blick so politischen Neskovic passt das Schema nicht: Aus der SPD ist er vor sechs Jahren ausgetreten, bei den Grünen hat er sich inzwischen enttäuscht aus allen Aktivitäten zurückgezogen.

In Fachkreisen erstaunt eher die Entscheidung des BGH- Präsidialrats. Nicht nur, dass Neskovic schon im Studium mit herausragenden Prädikatsexamina und in der Referendarzeit mit einem seltenen «sehr gut» abgeschlossen hatte: Auch seine Richterzeit ist geprägt von einer «Kette herausragender Beurteilungen», wie sein Landgerichtspräsident Hans-Ernst Böttcher versichert.

Mit dem BGH hat Neskovic sich aber auch angelegt. 1994 zum Beispiel, nachdem der BGH eine von ihm verantwortete Bewährungsstrafe gegen zwei Drogenhändler als unvertretbar milde aufgehoben hatte: Da nannte er das höchste deutsche Strafgericht eine «uneinnehmbare Bastion der Ignoranz». Auch die Tatsache, dass die für ihn zuständige Berichterstatterin selbst innerhalb des nicht gerade linkslastigen Gerichts als ziemlich konservativ gilt, dürfte den Gesprächen mit dem Präsidialrat nicht gerade förderlich gewesen sein.

Auch bei Birgit Vezina steht die schlechte Beurteilung durch den BGH in einem gewissen Missverhältnis zum Lob, das ihr früherer Chef Dieterich und auch ihr Landgerichtspräsident Gunter Weber ihr zollen. Dieterichs gab auch den Hinweis, schon Anfang der neunziger Jahre habe ihm ein Beamter aus dem Stuttgarter Justizministerium zu verstehen gegeben, seine frisch gebackende Mitarbeiterin könne nicht auf eine große Karriere hoffen - noch bevor sie sich überhaupt die Meriten verdienen konnte.