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Buchvorstellung von Wolfgang Bosbach Buchvorstellung von Wolfgang Bosbach: Krebs wird zum Nebenthema

Von Daniela Vates 07.03.2014, 16:11

Berlin - Wolfgang Bosbach ist da und doch in Eile. Es scheint also alles wie immer. Ein Termin von vielen könnte man sagen. Und das ist es doch nicht, denn eigentlich ist es ein trauriger Anlass. Eine gute Stunde hat Wolfgang Bosbach Zeit an diesem Abend in Berlin, um über ein Buch zu reden. 20 Jahre sitzt der Rheinländer nun im Bundestag, er ist der Abgeordnete mit der höchsten Medienpräsenz. Zu fast allen Themen fällt ihm etwas ein, er ist eine Art Zitatemaschine und die Rettung für Talkshow-Moderatoren mit Gästeproblemen. Er geht auch im Urlaub an sein Telefon. Zirkuspferd hat er sich selbst mal genannt. Er wäre gerne Bundesinnenminister geworden.

Diagnose vor vier Jahren

Das hat er nicht geschafft. Nun gibt es ein Buch über ihn. Eine Würdigung, könnte man sagen. Aber es ist eine tragische Würdigung. Denn das Buch gibt es, weil Bosbach unheilbar krank ist. Eine Herzmuskelerkrankung hat er überstanden, allerdings ist sein Herz nur noch eingeschränkt leistungsfähig. Vor vier Jahren wurde dann Krebs festgestellt. 30 Mal ist Bosbach inzwischen bestrahlt worden. Er gilt als unheilbar. Es geht ums Überleben. „Jetzt erst recht“ ist der Titel des Buches. „Ich zeig’s Dir, Krebs“, so zitiert ihn der „Stern“.

Bosbach ist 61 Jahre alt, er sitzt im Keller der Buchhandlung Dussmann. Oben kämpft sein bester Freund Horst Becker mit Sicherheitsleuten, die ihm den Zutritt verwehren wollen, weil sie eine Gästeliste vom Verlag haben, die freien Plätze im Keller sie nicht interessieren und sie nicht wissen, dass Bosbach diesen Herrn Becker auch auf eine einsame Insel mitnehmen würde.

Über Fußball und Pofallas Ausraster

Bosbach spricht unten über seinen Beitritt zur Jungen Union, die ihn zuvor als Helfer für ihre Fußballmannschaft rekrutiert hatte, er spricht über sein Gesellschaftsbild, über das Nein zu Homo-Ehe und Abtreibung, darüber dass man nicht für alle persönlichen Fehlschläge den Staat verantwortlich machen solle. Er ist leutselig wie eh und je. Er macht Sprüche. Er spricht über die anderen beiden Punkte, die einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht haben: Sein Nein zum Euro-Rettungsschirm und der damit verbundene Ausraster des damaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla. „Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen“, hatte der Bosbach damals angeblöckt. Er sei damals sprachlos gewesen, sagt Bosbach. „Heute bin ich froh, dass mir nichts eingefallen ist. Wer weiß, was mir eingefallen wäre.“ An anderer Stelle hat er zu dem Thema mal gesagt: „Ach, der arme Ronald. Er ist halt auch nur ein Mensch.“

Die Buchautorin Anna von Bayern, die vor ein paar Jahren eine Biografie über Karl-Theodor zu Guttenberg veröffentlicht hat, erzählt, dass Bosbachs Eltern mit Veröffentlichungen über ihren Sohn 19 Ordner gefüllt hätten. Sie hat auch aufgeschrieben, dass der gelernte Einzelhandelskaufmann und leidenschaftliche Karnevalist Bosbach im Supermarkt mal einen Ladendieb mit einem gefrorenen Kaninchen in Schach gehalten habe.

Enttäuschung ist verflogen

Bosbach spricht über die Enttäuschung, nicht Minister geworden zu sein nach dem CDU-Wahlsieg 2005. Vor ein paar Jahren hat er gesagt, Kanzlerin Angela Merkel habe ihm ihre Entscheidung erklärt. An diesem Abend sagt Bosbach, er habe bis heute nicht erfahren, warum er habe zurückstecken müssen. Er könne nur vermuten, dass Merkel ihn für einen zu unsicheren Kandidaten gehalten habe. „Das kann ich verstehen“, sagt Bosbach und lacht. Die Enttäuschung sie rasch verflogen und heute könnte er aus Gesundheitsgründen sowieso nicht mehr Minister sein.

Wahlkampf kommt vor der OP

Da kommt der Krebs ins Spiel, der an diesem Abend fast ein Nebenthema ist. Bosbach hat immer offen über seine Erkrankung geredet. Er sei so oft in Krankenhäusern gewesen, dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben sei. Schließlich würden die Leute ihn ja kennen. Und: „Es ist nichts wofür man sich genieren muss“, sagt Bosbach. Seine Herzmuskelerkrankung hatte er noch unter den Tisch gekehrt und damit schlimmer gemacht hat, weil er in seinem ersten Wahlkampf für den Bundestag 1994 nicht als Schwächling gelten wollte. Heute räumt er außerdem ein, dass er zwischen all seinen Terminen keine Zeit für eine frühere Vorsorge-Untersuchung gefunden hat. Seine Krebs-Operation hat er auch verschoben, wieder war Wahlkampf. Es habe sich ja nur um fünf Wochen gehandelt, sagt Bosbach.

Er hat so viel und ausführlich über den Krebs geredet, es war seine Form der Verarbeitung. Irgendwann beschwerten sich seine Frau und seine Eltern, weil sie ständig mit dem Thema konfrontiert wurden. Sein Freund Becker riet ihm laut „Stern“, sich nicht als Todgeweihten darzustellen. Der „Bunten“ hat Bosbach, Vater dreier Töchter, nun gerade gesagt, er wolle mit seiner Erkrankung den Alltag seiner Familie nicht belasten. Er wolle zu Hause nicht mit traurigen Augen angesehen werden. „Meine Familie soll das Leben genießen und sich nicht ständig Sorgen machen.“

Positive Prognose

Trotz schwerer Krankheit hat Bosbach im Herbst erneut für den Bundestag kandidiert, zum sechsten Mal. Er hat etwas gehadert, ob er erneut antreten soll. Auch die Attacke Pofallas hat ihn ins Zweifeln gebracht. „Aber ich gehe gerne ins Büro“, sagt er. Auf dem Sofa zuhause oder auf dem Golfplatz würde er nicht glücklicher sein. Er ist jetzt Vorsitzender des Innenausschusses. Er sagt, er bekomme 25 Terminanfragen am Tag. Sein Arzt denke, er könne die gesamte Wahlperiode schaffen. Vier Jahre sind das.

Bosbach sagt, es freue ihn, wenn er Leuten mit seiner Geschichte Mut machen könne. Sein Leben sei nicht zu Ende. Es habe nur ein neuer Abschnitt begonnen. Er zitiert neuerdings häufiger den Titel der Indie-Rock-Band Kettcar. „So lange die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende.“ Die Stunde in der Buchhandlung ist zu Ende. Bosbach entschuldigt sich, er muss schnell zum Flughafen. Die Buchautorin liest das erste Kapitel vor. Sie sagt, dann könne man das Buch auch kaufen, wenn man nicht so gerne lese. Es seien auch viele Fotos drin.

BUCHINFO:
Anna von Bayern: „Wolfgang Bosbach. Jetzt erst recht!“, Heyne/ 19,99 Euro, 224 Seiten