Anschlag in Berlin Breitscheidplatz in Berlin: Streit um Angela Merkels Flüchtlingskurs in der Union nach Terroranschlag
Berlin - Die Kanzlerin wählte einen merkwürdigen Konjunktiv. Sollte der Anschlag vom Breitscheidplatz tatsächlich von einem Flüchtling begangen worden sein, wäre dies „besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, und gegenüber den vielen Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und die sich um Integration in unsere Land bemühen“. Es war Angela Merkels Versuch, eine Brücke zu schlagen zwischen ihrer Willkommenskultur des vergangenen Jahres und dem immer stärkeren Bedürfnis ihrer Partei, diese Politik durch klare Signale zu beenden.
Doch dieser Brückenschlag scheint immer schlechter zu gelingen. 36 Stunden nach dem tödlichen Ereignis hat sich herausgestellt, dass der verdächtigte Pakistaner offenbar nicht der Attentäter war. Doch in der Union ist der Streit über schärfere Asyl- und Strafgesetze voll entbrannt.
CSU mit markigen Forderungen
Auf der einen Seite stehen CSU-Chef Horst Seehofer, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU), die hoffen, mit markigen Forderungen der rechtspopulistischen AfD den Wind aus den Segeln nehmen zu können. Auf der anderen Seite setzt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf eine betont besonnene Politik, und der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet verteidigt Merkels Kurs entschieden.
Auf diese Weise entsteht in der öffentlichen Debatte ein kakophones Durcheinander. So hatte Bouillon kurz nach dem Anschlag erklärt, Deutschland befinde sich nun im „Kriegszustand“. „Ich teile diese Wortwahl nicht. Ich finde diese Wortwahl unangemessen“, konterte de Maizière am Dienstagabend hart. Der Begriff „Krieg“ sei vielleicht etwas emotional gewählt gewesen, räumte Bouillon inzwischen ein, um dann in der Rheinischen Post mit scharfen Forderungen nachzulegen: Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten müsse aufgehoben werden, die Hürden für Telefonüberwachung von Verdächtigen gesenkt und die Überwachung von Handy-Messenger-Diensten erleichtert werden.
„Wer hier einen Asylantrag stellt und an seiner Identitätsfeststellung nicht mitwirkt, muss seinen Anspruch auf Asyl verlieren“, fordert Bouillon weiter.
Argumente scheint die CSU nicht zu stören
Bislang ist freilich völlig unklar, ob ein Ausländer oder ein Flüchtling den Anschlag von Berlin begangen hat. Dessen ungeachtet hatte CSU-Chef Seehofer am Dienstag bereits erklärt: „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren.“ Das brachte CDU-Vize Laschet in Rage. Es sei nicht „die normale Herangehensweise an Politik“, Schlussfolgerungen zu ziehen, bevor die Polizei Fakten ermittelt hat, rüffelte er Seehofer in der ZDF-Sendung „Maybritt Illner“. Wörtlich setzte er hinzu: „Ich verstehe nicht ganz, was der Sinn der Aussage sein soll.“ Auch de Maizière widersprach Seehofer: „Wir haben keinen Tatverdächtigen, der Flüchtling wäre.“
Doch dieses Argument scheint die CSU nicht zu stören. Geschickt vermied Bayerns Innenminister Herrmann am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk einen direkten Kommentar zu dem Anschlag von Berlin. Stattdessen bezog er sich auf Attentate der vergangenen Monate, die von Flüchtlingen begangen worden seien: „Die Risiken sind offenkundig“, betonte Herrmann. Das zeige auch die Reaktion der Behörden nach dem Anschlag vom Montag. Ob der Täter tatsächlich ein Islamist gewesen sei, argumentierte der CSU-Mann indirekt, spiele deshalb keine Rolle.