Brandenburg Brandenburg: Finstere Mächte
KRAMPFER/MZ. - Das ominöse Fürstentum in der Prignitz hat seit seiner Gründung und dem Erlass einer Verfassung Mitte Februar einiges Aufsehen erregt. Eine polizeiliche Razzia fand statt. "Harmlose Alternative oder Rechtsextreme?", fragte die Lokalpresse. Jens Wilmann winkt ab. "Alles Medienhetze."
Wilmann hat wenig Zeit für Erklärungen. Er muss neue Bewohner begrüßen. Das Fürstenvolk wächst täglich. Junge Leute aus ganz Deutschland ziehen in das brandenburgische Dorf, ein Ort mit Backsteinkaten und einem einstigen Herrenhaus. Die neuen Bewohner haben es zum Schloss erklärt und zum Sitz ihres "basisdemokratischen Kirchenstaats".
Eine Kirche haben sie zwar nicht, aber einen Fürsten, Michael Freiherr von Pallandt. Noch arbeitet er als Taxifahrer in Augsburg, doch das soll sich ändern. "Der Fürst zieht ein, sobald es hier wohnlich ist", kündigt Manuel Opitz an, Mitbegründer des Fürstentums. Opitz ist 29 Jahre alt, drei Jahre jünger als Wilmann, wie dieser gelernter Schlosser und enttäuscht vom "BRD-System". Er hat vom Fürstentum Germania im Internet gelesen und ist kurzerhand hergezogen. Zwölf "Reichsritter" wohnen jetzt im Schloss.
Einiges erinnert an Landkommunen. Die Sprüche auch. "Wir haben der BRD den Frieden erklärt", sagt Wilmann. Er erzählt von einem geplanten Ökomarkt, von "Permakultur" und Spiritualität. Er sagt, dass man Hanfplantagen anlegen und 5 000 Jobs schaffen wolle. "Hier geht's um Frieden, Freiheit, Liebe, Autarkie - rechtes Gedankengut werden Sie nicht finden." Auf die Frage danach hat er einen Slogan parat: "Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links, wir sind vorne."
Solche Sätze könnten als witzig und versponnen durchgehen, wenn nicht jedes Gespräch mit den Bewohnern des Fürstentums irgendwann ins Unverständliche abdriften würde. "Die BRD ist gar kein Staat, sondern nur eine GmbH", ist zu hören. "Der Staat ist privatisiert, das Volk Freiwild", sagt Manuel Opitz. Eine Firma könne weder Steuern erheben noch Ausweise ausstellen. "Das lehnen wir ab", sagt Jens Wilmann. Auch aus spirituellen Gründen. "Wenn du den Ausweis umdrehst, siehst du einen Baphometen. Eindeutig ein satanisches Zeichen."
Die Leute in Krampfer haben Angst, dass die Schlossbewohner das ganze Dorf aufkaufen und ihre Kinder manipulieren. Zu einer Info-Veranstaltung kamen Ende Februar mehr als zweihundert Bürger. Gabriele Treutler hat das Treffen mitorganisiert. Die resolute Küsterin, Mitglied der Grünen und im Kreistag, hat auf dem Tisch ein zwei Meter langes Papier ausgerollt. Darauf stehen Dutzende Namen, verbunden mit Pfeilen und Linien. Man stoße "auf die irrsinnigsten Kontakte", sagt sie. "Von Verschwörungstheoretikern zu Holocaustleugnern, Scientologen, braunen Esoterikern. Wo man auch landet, es ist immer rechtsextrem und antisemitisch."
In der Mitte des Papiers hat Treutler die Gründer des Fürstentums Germania eingetragen, den Fürsten und Byron Jessie Marsson-Duchamp. Der 30-jährige Bayer soll das Geld für den Erwerb des Anwesens beschafft haben, indem er vier Oldtimer verkaufte. Sein bester Kumpel ist der dritte Mann im Bunde: Jo Conrad aus Worpswede. Der 50-Jährige ist ein bekannter Esoteriker und Autor antisemitischer Bücher, der wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.
Experte schlägt Alarm
Alarm geschlagen hat wegen der Vorgänge in der Prignitz als erster der Rechtsextremismusexperte Günther Hoffmann aus Anklam. Er befasst sich seit Jahren mit einer eigenartigen rechten Szene, die sich im Internet rasant entwickelt - den "Reichsbürgern". "Das sind Verschwörungstheoretiker, die die BRD ablehnen und behaupten, das Deutsche Reich bestehe fort", sagt Hoffmann. Ihre Gallionsfigur sei der einstige RAF-Terrorist und heutige Neonazi Horst Mahler. Das Fürstentum Germania ist der erste große Auftritt der "Reichsbürger". Hoffmann schätzt die Zahl der aktiven Reichsbürger auf 40 000. "Da wächst etwas Gefährliches heran", sagt er. "Das Fußvolk ist naiv, aber die Hintermänner sind es nicht."
Einer, der sich freimütig als Hintermann des Fürstentums bekennt, ist Toni Haberschuss aus Bad Saarow am Scharmützelsee, Mitglied im "Volksrath" von Schloss Krampfer. Haberschuss ist ein kleiner Mann, 59 Jahre alt, der viel raucht und viel redet. Ein Thema will er aber auf keinen Fall besprechen: den Holocaust. Warum nicht? "Das können Sie sich doch denken", sagt er. Politisch rechts sei er nicht: "Nicht rechts, nicht links, sondern vorne." Dann spricht er von finsteren Mächten, die das Geldsystem zerstörten und an einer "neuen Weltordnung" arbeiteten, und empfiehlt die "Protokolle der Weisen von Zion", da sei alles erklärt. Diese "Protokolle" sind eine antisemitische Hetzschrift.
Verschwörungstheorie
Dann beugt sich Haberschuss verschwörerisch nach vorne. Die EU, der Euro und die Nato würden noch dieses Jahr zusammenbrechen. Wer seiner Meinung nach hinter der Krise steht, sagt er nicht. Aber er erwähnt die "Hochfinanz" und die "Illuminaten". Die Illuminaten sind in der Esoterikszene eine Chiffre für die Einflussreichen, den Finanzadel, letztlich die Juden. Haberschuss raunt, es sei doch kein Zufall, dass ausgerechnet in der Pleitebank Hypo Real Estate "der Knobloch" an der Spitze stehe. Bernd Knobloch ist der Sohn der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch.
Die antisemitische Internetzeitung "Deutsches Volksblatt", herausgegeben vom Vize-Fürsten Jessie Marsson, belässt es nicht bei Andeutungen: Es seien jüdische Familien wie die Knoblochs, die das deutsche Volk in die Finanzkrise trieben, wird dort nahegelegt.