Botschaft der Vereinigten Staaten Botschaft der Vereinigten Staaten: Die fremde Festung

Berlin/MZ - Hunderte Touristen flanieren über den Pariser Platz in Berlin. Ihre Blicke verharren auch auf dem Gebäude, das den Platz links vom Brandenburger Tor abschließt. Es ist die Botschaft der USA, viereinhalb Etagen hoch, ein beinahe festungsartiger Bau mit heller Sandsteinfassade und Fenstern aus grünem Panzerglas.
Doch das Interesse gilt kaum der langweiligen Sicherheitsarchitektur. Was die Phantasie der Menschen anregt ist die Frage, was sich hinter der in einigen Partien merkwürdig fensterlosen Fassade verbirgt, und unter dem Dach? Der „Spiegel“ berichtet in seiner neuesten Ausgabe, dass hier womöglich das Zentrum der amerikanischen Datenspione in Deutschland liegt. Auch für Laien ist offensichtlich, dass dieses Gebäude mitten im Regierungsviertel, einen Steinwurf entfernt vom Reichstagsgebäude und den Bürohäusern der Abgeordneten, fast noch in Sichtweite des Kanzleramtes, eine erstklassige Ausganglage ist, um die Kommunikation von Handys, Richtfunkverkehr und digitale Datenströme in der Umgebung zu überwachen, selbst in verschlüsselter Form.
Solche Arbeit obliegt einem Team des Special Collection Service, einer technischen Eliteeinheit der US-Geheimdienste. Die Agenten arbeiten dem „Spiegel“ zufolge meist in abgeschirmten Bereichen von Botschaften, wo sie offiziell als Diplomaten akkreditiert sind und deren Privilegien genießen. Sie agieren aus dem Schutz der exterritorialen Botschaft heraus, was nach deutschem Recht illegal wäre.
In Berlin liegen ihre Arbeitsräume möglicherweise in der fensterlosen Dachetage; auf dem Dach haben Experten verdächtige Einbuchtungen ausgemacht. Diese seien nicht verglast, sondern aus elektrisch nicht leitendem Material in der Optik des umliegenden Mauerwerks verblendet, erklärte der britische Enthüllungsjournalist Duncan Campbell. Dieses sogenannte dielektrische Material sei für feinste Signale durchlässig. Dahinter verberge sich die Abhörtechnik.
Wer die Botschaft besucht, bekommt unmittelbar den Eindruck, deutschen Boden zu verlassen und eine fremde Festung zu betreten. Schon an der ersten Sicherheitskontrolle ist das Handy auszuschalten und abzugeben. Auch der Hinweis, man benötige das Smartphone, um das mit dem Botschafter verabredete Interview aufzuzeichnen, führt zu keiner Ausnahme. Nach dem Passieren einer weiteren Sicherheitsschleuse muss der eigene Ausweis gegen einen Hausausweis getauscht werden. Jeder weitere Schritt ist nur in Begleitung eines Botschaftsangehörigen möglich. Der Zugang zu den Räumen des Botschafters in der vierten Etage ist noch einmal gesondert geschützt, der Begleiter muss einen Zahlencode im Display neben der Panzerglastür eingeben.
Das Büro des Botschafters, in dem der vor einigen Monaten abgelöste Philip Murphy ein recht offenes Haus führte, hat einen spektakulären Blick zum Brandenburger Tor, auf Augenhöhe mit der Quadriga. Gern lud Murphy seine Gäste auf die davor liegende Dachterrasse, doch auch das lag nicht allein in seiner Hand. Die Tür lässt sich erst nach Freigabe durch eine Sicherheitszentrale irgendwo im Inneren des Gebäudes öffnen. Wie Zynismus klingen heute die Worte des damaligen US-Botschafters William Timken zur Eröffnung des Gebäudes mit einem Volksfest auf dem Pariser Platz am 4. Juli 2008: „Deutschland und die USA sind echte globale Partner.“ Und erst jetzt mag sich auch die ganze Bedeutung einer abschließenden Bemerkung über den Neubau auf der Webseite der Botschaft offenbaren: „Dieses neue Gebäude bietet der amerikanischen Regierung eine sichere, voll funktionsfähige diplomatische Plattform.“