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Bosnien-Einsatz Bosnien-Einsatz: Historischer Schritt zur Normalität der Bundeswehr

Von Kristina Dunz 23.08.2005, 09:02
Bundeswehr-Soldaten verlassen nach ihrer Ankunft den Flughafen von Split (Archivfoto vom 21.07.1995). (Foto: dpa)
Bundeswehr-Soldaten verlassen nach ihrer Ankunft den Flughafen von Split (Archivfoto vom 21.07.1995). (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Das Lachen der Kinder hatte die deutschen Soldatenimmer gerührt. Wenn die Männer mit ihren gepanzerten Fahrzeugen inBosnien auftauchten, wurden sie von den Kleinen überschwänglichbegrüßt. Später erfuhren sie, dass sich die Mädchen und Jungen mitdem freundlichen Winken in erster Linie schützen wollten. «Die Kinderkonnten im Krieg nicht unterscheiden, ob der Soldat vor ihnen Freundoder Feind war. So schärften ihre Eltern ihnen ein, einfach immer zuwinken», erzählt Oberstleutnant Klaus Reinecke, der einer der erstenDeutschen war, die 1995 zur Friedenssicherung auf den Balkangeschickt worden waren.

Die deutsche Reaktion war damals einhellig. Der Angriff derbosnischen Serben auf die UN-Schutzzone Sarajevo mit vielen getötetenZivilisten war für die schwarz-gelbe Bundesregierung und die rot-grüne Opposition «barbarisch». Die NATO-Luftschläge am 30. August1995 waren deshalb für Union und FDP, SPD und Grüne eine «nötige undgerechtfertigte» Antwort. 14 Tornado-Kampfflugzeuge stellteDeutschland bereit, die aber nicht eingesetzt wurden. Drei Monatespäter beschloss der Bundestag, 4000 deutsche Soldaten der insgesamt60 000 Mann starken NATO-Friedenstruppe für Bosnien zur Verfügung zustellen.

Das seit Juli 1995 im kroatischen Trogir in der UN-Schutztruppe(UNPROFOR) eingesetzte deutsche Kontingent wurde in die NATO-MissionIFOR integriert. «Wir setzten die Blauhelme der Vereinten Nationen abund die grünen Helme der NATO auf», sagt Reinecke, der heute imVerteidigungsministerium Sprecher der Streitkräftebasis ist.

Der Bosnien-Einsatz markiert einen Wendepunkt für die Bundeswehr.Es war ihr bis dahin größter und gefährlichster Auslandseinsatz.Führende Politiker sprachen im Bundestag von einer historischenEntscheidung. Die Grünen gerieten nach den Worten ihres damaligenFraktionsvorsitzenden und heutigen Außenministers Joschka Fischer ineinen Grundwerte-Konflikt zwischen solidarischer Hilfe undGewaltfreiheit. Zudem war der Balkan wegen des Einsatzes derdeutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ein besonders heiklesGebiet. Die deutsche Bundeswehr war für die Bevölkerung aber vonAnfang en eine ersehnte Krisenhilfe.

«Rückblickend kann man den Bosnien-Einsatz als einen Schritt derBundeswehr in die Einsatznormalität bezeichnen», sagtVerteidigungsminister Peter Struck (SPD). Nach der Mission in Bosnienfolgte 1999 mit dem Kosovo der erste Kampfeinsatz in der Geschichteder Bundeswehr. Seit 2001 beteiligt sich Deutschland aminternationalen Anti-Terror-Kampf. Heute sind rund 7500 deutscheSoldaten in Auslandseinsätzen - die meisten von ihnen auf dem Balkanund in Afghanistan. In Bosnien sind es inzwischen nur noch rund 1000.Ende 2004 übernahm die Europäische Union nach neun Jahren den Einsatzvon der NATO. Struck sagt: «Damit wurde eine bedeutende Wegmarke inder Entwicklung europäischer militärischer Fähigkeiten erreicht.»

Deutsche Soldaten, die in Bosnien waren, äußerten sich häufigschockiert über die Eindrücke. Krieg hatten sie bis dahin nichterlebt. Nun sahen sie zerschossene Häuser, verletzte Menschen,unzählige Gräber. Die Bundeswehr selbst verlor in Bosnien bisher 15Soldaten. Sie starben nicht im Kampf, sondern bei Unglücken.