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Bodenreform Bodenreform: Enteignete fordern höhere Entschädigung vom Bund

29.01.2004, 12:20
Das gestellte Symbolfoto zeigt am Freitag (23.01.2004) eine verwitterte DDR-Fahne auf einem Feld bei Oschersleben in der Magdeburger Börde. (Foto: dpa)
Das gestellte Symbolfoto zeigt am Freitag (23.01.2004) eine verwitterte DDR-Fahne auf einem Feld bei Oschersleben in der Magdeburger Börde. (Foto: dpa) dpa

Straßburg/dpa. - Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg haben rund 70 Opfer der Bodenreform in Ostdeutschland mehr Geld von der Bundesregierung gefordert. Sie seien nach der Wiedervereinigung für die Enteignung ihrer Grundstücke unter sowjetischer Besatzung zwischen 1945 und 1949 zu gering entschädigt worden, begründeten sie am Donnerstag ihre Klage. Die Bundesregierung verteidigte die Höhe des gezahlten Ausgleichs: Aus fiskalischen Gründen seien keine höheren Zahlungen möglich gewesen; die gefundenen Lösungen seien nicht perfekt, aber ausgewogen. Sollten die Beschwerdeführer Recht bekommen, müsste Deutschland mit Millionenforderungen rechnen. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Nach der Anhörung zeigte sich einer der Klägeranwälte vorsichtig optimistisch. «Wir konnten den strafrechtlichen Kontext der Enteignungen endlich einmal darlegen», sagte der Koblenzer Rechtsanwalt Thomas Gertner der dpa. Es bestehe Einvernehmen darüber, dass Besitz zurückgegeben werden müsse, wenn es sich bei der Enteignung nicht um einen reinen Verwaltungsakt, sondern eine Strafmaßnahme handle. Die Bundesregierung habe allerdings behauptet, dass die Enteignungen keine Strafmaßnahme gewesen seien. «Das ist die Unwahrheit», sagte Gertner, der 46 Kläger vertritt.

Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzer wurden 3,1 Millionen Hektar Land enteignet: 7112 Betriebe mit mehr als 100 Hektar und 4278 mit weniger als 100 Hektar.

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) hält die Klage für nicht gerechtfertigt. Es habe bereits eine angemessene Entschädigung gegeben, sagte Backhaus der dpa. Der Landesbauernverband steht dem Bestreben von ehemaligen Eigentümern, ihre Grundstücke vom Staat zurückzubekommen, gelassen gegenüber. Es gebe den Grundsatz: Kauf bricht nicht Pacht. Ein Wechsel der Landbesitzer hätte demnach keine Auswirkung auf die Pachtverträge, hieß es.

Von dem Verfahren betroffene ehemalige Landbesitzer aus Sachsen und Thüringen äußerten die Hoffnung, dass mit dem Prozess eine schnelle zusätzliche Entschädigung erreicht wird. Die Höhe der Zahlungen müsse ein eigenes Verfahren klären, sagte der Vorsitzende des Grundbesitzerverbandes Sachsen und Thüringen, Wolf von Marschall, in Erfurt. Wichtig sei es, schnell zu handeln, damit noch lebende Opfer Gerechtigkeit erfahren. Es müsse auch über eine Rückgabe von Land an Stelle von Zahlungen nachgedacht werden.

Sollte der Gerichtshof zu der Entscheidung gelangen, dass Deutschland Bodenreform-Opfern eine zusätzliche Entschädigung zahlen muss, sieht sich der Freistaat Sachsen in der Pflicht. Die Länder hätten die Grundstücke übertragen bekommen, also müssten sie sich an den Kosten beteiligen, teilte das Dresdner Justizministerium mit.

Bereits in der Vorwoche hatte der Straßburger Gerichtshof entschieden, dass Deutschland durch die Enteignung von Grundstücken ehemaliger DDR-Bürger nach der Wiedervereinigung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat. Damit drohen Bund und Ländern zusätzliche Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies den Ländern die Verantwortung für die Kostenerstattung an die Betroffenen zu. Schließlich hätten sie von dem beanstandeten Gesetz profitiert, sagte Zypries der «Leipziger Volkszeitung (Freitag). Sie hätten die Grundstücke erhalten, um die es jetzt gehe. In den nächsten drei Monaten werde sich entscheiden, ob gegen das Urteil Rechtmittel eingelegt werden.