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Nicht nur bio, sondern auch vegan Bio-Landwirt bei Leipzig findet sein Glück in der Nische

Von Steffen Höhne 23.10.2019, 10:00
Verschiedene Tomatensorten baut Daniel Hausmann in einem Gewächshaus an.
Verschiedene Tomatensorten baut Daniel Hausmann in einem Gewächshaus an. Steffen Höhne

Breitenborn - Der ehemalige Rinderstall des Bauernhofes Hausmann hat gleich zwei Funktionen: Zum einen ist er Verkaufsladen für Bio-Gemüse. In großen Holzkisten stapeln sich Möhren, Kürbisse, Mangold, Spinat, Kartoffeln und vieles mehr. Der Raum dient zum anderen als Mittagstisch und sozialer Treffpunkt für Landwirt Daniel Hausmann und seine Mitarbeiter.

Über einem Sofa hängt ein Poster des Leipziger Künstlers Hartmut Kiewert. Der Stil erinnert an den amerikanischen Maler Edward Hopper. Das Motiv: Vor dem Leipziger Spätverkauf „Lazy Dog“ sitzen junge Leute auf dem Gehsteig. Zu ihnen hat sich eine Kuh gesellt. Das Bild passt gut zu dem sächsischen Bauernhof, denn Hausmann betreibt den ersten und bisher auch einzigen bioveganen Landwirtschaftsbetrieb in Mitteldeutschland.

Rinder nicht mehr als „Nutztiere“ zu halten, sondern frei leben zu lassen, hält der 28-Jährige keineswegs für utopisch. Als Biobauer verzichtet er nicht nur auf synthetische Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger. Hausmann geht noch einen Schritt weiter, er hält auch keine „Nutztiere“ und verzichtet auf tierischen Dünger.

Den besten Einblick in die biovegane Landwirtschaft gewinnt man beim Gang mit Hausmann über das herbstliche Gemüsefeld. Er trägt eine verschlissene Jeans, einen einfachen blauen Pullover und Gummistiefel. Die Haare sind nach oben gestylt - im James-Dean-Look. Der Landwirt zeigt auf eine Reihe mit krausem Friséesalat, daneben Mangold und ein Stück weiter Haferwurz. Haferwurz? „Das Wurzelgemüse lässt sich mit Schwarzwurzeln vergleichen.“ Dazwischen wuchern, im Kampf um Nährstoffe und Platz, Wildkräuter. „Auch für mich ist das Unkraut“, sagt Hausmann lächelnd. Doch nehme er es bereitwillig in Kauf.

Als prägende Erfahrung bezeichnet der junge Landwirt den Gang über ein Gerstenfeld, das seine Eltern einst konventionell bewirtschafteten: „Bis auf zwei kümmerliche Nacktschnecken habe ich dort keine Tiere gefunden.“ So wollte er nicht wirtschaften, also studierte er ökologischen Landbau in Eberswalde (Brandenburg).

Erträge nur halb so hoch

Daniel Hausmann führte nach dem Tod seines Vaters bereits als Student den familiären Betrieb. Aus Zeitgründen schafft er zunächst die 15 Kühe des Betriebes ab. Beim Studium trifft er auf Kommilitonen, die sich vegan ernähren. Auch Hausmann fängt an, auf Fleisch, Eier und Butter zu verzichten. „Mir ist das nicht schwer gefallen“, sagt er. „Die Produktpalette in der veganen Kost ist viel breiter.“

Das Bauernhaus der Hausmanns liegt am Rand des sächsischen Dorfes Breitenborn - südlich von Leipzig. Von der Haustür ist der Blick frei auf eine Streuobstwiese und die Felder. Alles ist dort überschaubar. 25 Hektar ist der Betrieb groß. Schrittweise führt Hausmann die Biolandwirtschaft ein, setzt auf Gemüseanbau.

Der Hof schließt sich dem Verband Gäa an, dessen Richtlinien besonders streng sind. Durch eine vielfältige Fruchtfolge und die Nützlinge wie Schlupfwespen werden Schäden durch Schnecken, Läuse, Milben oder Kartoffelkäfer vorgebeugt. Ohne die 15 Kühe fehlten Hausmann jedoch Mist und Gülle zur Düngung. Aus dem Grund entschloss er sich, in seinem Betrieb mit Pflanzen zu düngen.

Verzicht auf Unkraut-Vernichter und künstlichen Dünger 

Die Spielregeln im Ackerbau sind relativ einfach: Allgemein entziehen geerntete Pflanzen dem Boden Nährstoffe. Damit die Erträge über die Jahre nicht sinken, muss der Bauer diese künstlich wieder zuführen. Vor allem Stickstoff benötigen die Pflanzen, um zu gedeihen. Da die Biolandwirte auf den Einsatz von chemischen Unkraut-Vernichtern und künstlich erzeugten Dünger verzichten, sind ihre Erträge in der Regel nur etwa halb so hoch wie im konventionellen Landbau.

Den tierischen Dünger hat Hausmann durch sogenannte Hülsenfrüchte ersetzt. „Wir bauen beispielsweise Kleegrass an“, berichtet er. Dieses ziehe bereits im Wachstum Stickstoff aus der Luft und reichere damit den Boden an. „Während die Biolandwirte mit dem Klee ihre Tiere füttern und anschließend mit deren Gülle düngen, pflügen wir den Klee direkt in den Boden ein“, erläutert Hausmann. Die Ernte im bioveganen Anbau sei daher ähnlich hoch wie im Biolandbau.

Bio-Kisten für Leipziger Großstadtkunden

Nach Einschätzung des Agrarwissenschaftlers Hans-Peter Piorr von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hängt der Erfolg der bioveganen Landwirtschaft jedoch stark vom Landwirt und den natürlichen Gegebenheiten ab. „Gülle und Mist führen relativ verlässlich und kontrolliert Stickstoff dem Boden zu“, sagt Piorr. Pflanzlicher Dünger wirke erst nach einiger Zeit, und es bestehe die Gefahr, dass er durch Regen aus dem Boden gewaschen wird, bevor er wirkt. Insgesamt gebe es noch zu wenige Analysen, um die Wirksamkeit zu beurteilen.

Durch den Anbau von 40 verschiedenen Gemüsearten versucht Hausmann, sein Ausfall-Risiko breit zu streuen. „Jedes Jahr ist anders. Diesmal ist die Wurzelpetersilie nichts geworden“, gibt der Landwirt unumwunden zu. Doch diese Herausforderung schätzt er auch an seiner Arbeit. Die insgesamt 1,5 Hektar großen Gemüsefelder wandern von Jahr zu Jahr. Daneben werden Roggen, Weizen, Gerste und Hafer angebaut.

Wertvolle Freizeit wird für Spanisch-Kurs und Freunde genutzt

Der Hauptabsatzmarkt befindet sich im 40 Kilometer entfernten Leipzig. Einmal pro Woche liefert Hausmann sogenannte Abo-Biokisten aus. Angefangen hat er mit zwölf, inzwischen sind es rund 100, welche die Kunden in verschiedenen Geschäften und Kneipen abholen. In den Kisten ist das Gemüse der Saison, zuletzt waren das unter anderem Möhren, Kürbis, Tomaten, Zwiebeln und grüne Paprika. Er baut aber auch Topinambur an, ein Wurzelgemüse aus Mittelamerika. „Meine Kunden schätzen es, auch neue Gemüsearten kennenzulernen“, sagt Hausmann. Die Kilo-Preise reichen von 14 bis 25 Euro. Eine kleine Kiste deckt etwa den Wochenbedarf einer Familie.

Aktuell bewirtschaftet Hausmann mit seiner Mutter und einer Angestellten den Hof. Das rechnet sich, die Arbeitstage dauern allerdings häufig von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. An der Volkshochschule belegt er in den Wintermonaten einen Spanisch-Kurs, ab und zu joggt er neben den hügeligen Feldern von Breitenborn. Falls Zeit bleibt, trifft er sich mit Freunden in Leipzig. Doch auch wenn er sich seinem Beruf verschrieben hat: „Mein Ziel ist es schon, irgendwann auch einmal wieder mehr Freizeit zu haben“, sagt Hausmann. (mz)

Auf dem Hof werden Möhren sortiert, die anschließend in die Bio-Kisten kommen.
Auf dem Hof werden Möhren sortiert, die anschließend in die Bio-Kisten kommen.
Steffen Höhne