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Berlin Berlin: Rote Armee begann am 16. April mit dem Sturmangriff

Von Esteban Engel und Horst Heinz Grimm 14.04.2005, 07:43
Ein Soldat hisst 1945 über der im Zweiten Weltkrieg beschädigten Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin eine sowjetische Fahne mit dem «Hammer und Sichel»-Symbol. (Foto: dpa)
Ein Soldat hisst 1945 über der im Zweiten Weltkrieg beschädigten Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin eine sowjetische Fahne mit dem «Hammer und Sichel»-Symbol. (Foto: dpa) UPI

Berlin/dpa. - Die Erde bebte unter den Geschossen, die ausTausenden Geschützen auf die Stellungen der Verteidiger an Oder undNeiße heranheulten. Dieser Feuersturm am 16. April 1945 war derAuftakt zum Sturm der Roten Armee auf Berlin. Zwei Heeresgruppen, dieerste Ukrainische Front unter Marschall Iwan Konjew und die ErsteWeißrussische Front unter Georgi Schukow, rollten ungehindert auf das gut 90 Kilometer Luftlinie entfernte Machtzentrum derNationalsozialisten zu, nachdem ein letzter Widerstand der Deutschenauf den Seelower Höhen zusammengebrochen war.

Rund 2,5 Millionen Mann waren zum Sturm auf Berlin angetreten -mit mehr als 6000 Panzern, 41 600 Geschützen und 7500 Flugzeugen. Siezogen den Ring schnell enger. Für den sowjetischen Diktator JosefStalin war es eine Prestigesache: Seine Rote Armee musste die«Reichshauptstadt» vor den Westalliierten erobern. An Hitlers 56.Geburtstag, am 20. April, lag die Stadt in direkter Reichweite derArtillerie. Einigen Halbwüchsigen gaukelte der «Führer» noch Machtvor und heftet ihnen das Eiserne Kreuz ans Revers.

Sowjetische Stoßtruppen erreichten tags darauf den BerlinerNordostbezirk Köpenick. Für die meisten Bewohner hatte sich das Endelängst abgezeichnet. Seit Monaten lag die Stadt im Bombenhagelalliierter Flugzeuge. Die Feuerwehr kam mit dem Löschen nicht nach,die Versorgung brach zusammen. Millionen Menschen suchtenverängstigt, kriegsmüde und desillusioniert Schutz in Kellern undBunkern. Mehr als 55 000 Zivilisten waren gestorben.

44 000 Soldaten, 42 000 ältere Volkssturm-Männer und 5000Hitlerjungen sollten drei Verteidigungslinien halten, von denen derS-Bahn-Ring die innerste bildete. Propagandaminister Joseph Goebbelsschürte die Angst vor den «mongolischen Horden» und wollte so denWiderstand mobilisieren. «Hass ist unsere Pflicht - Rache ist unsereTugend» schmierten fanatische Hitler-Anhänger an eine Mauer.Einsatzkommandos der Waffen-SS durchkämmten die Stadt. Sie erschossenSoldaten und Zivilisten, die im Verdacht stehen, die Widerstandskraftzu schwächen. Sie sprengten den S-Bahntunnel unter dem Landwehrkanal.Tausende Menschen, die dort Schutz gesucht hatten, kamen ums Leben.

«Berlin kämpft unter dem Befehl des Führers», meldete die Nazi-Parteizeitung «Völkischer Beobachter» in der letzten Ausgabe am 24.April. Am Vortag hatte Hitler noch seinen Reichsmarschall HermannGöring aller Ämter enthoben. Dieser wollte von Berchtesgaden aus diepolitische Führung übernehmen. Auch der Organisator des Massenmordesan Juden, Heinrich Himmler, fiel in Ungnade, als er angesichts deraussichtslosen Lage Friedensfühler zu den Alliierten ausstreckte.

Haus um Haus drangen die Rotarmisten durch die verwüstetenStraßenschluchten bis in das Zentrum Berlins vor. Auch siehinterließen eine Spur des Schreckens. Allein in Berlin wurden nachSchätzungen mehr als 100 000 Frauen geschändet. Am 30. April hisstendie Eroberer nach einem erbitterten Kampf im Regierungsviertel dieSowjetflagge auf der Ruine des Reichstags. «Der Häuserkampf in demStadtkern von Berlin tobt Tag und Nacht...» hielt die Nazi-Führung imKriegstagebuch fest.

Die Realität hatte den «Gröfaz», den «größten Feldherr allerZeiten», in seinem bombensicheren «Führerbunker» eingeholt. In seinempolitischen Testament ernannte er Großadmiral Dönitz zum Reichspräsidentenund ging am 30. April mit seiner am Vortag angetrauten Ehefrau EvaBraun freiwillig in den Tod. Kurz danach begeht auch das EhepaarGoebbels Selbstmord, nachdem es seine sechs Kinder mit Giftumgebracht hatte. «Unser Führer ist gefallen», log die Propagandanoch. Am 2. Mai kapitulierten die Verteidiger von Berlin.

Am selben Tag hallten in Moskau zur Feier des Sieges 24 Salven aus324 Geschützen. Für Stalin, so schreibt der britische HistorikerAntony Beevor in seinem Standardwerk «Berlin 1945 - Das Ende», «warBerlin die Kriegsbeute, auf welche die Sowjetunion jeden Ansprucherworben hatte». Für die Eroberung der Stadt starben 80 000sowjetische Soldaten.

Ein Soldat der Roten Armee zieht einen deutschen Soldaten aus einem Loch, durch das er in einen Keller flüchten wollte. (Foto: dpa)
Ein Soldat der Roten Armee zieht einen deutschen Soldaten aus einem Loch, durch das er in einen Keller flüchten wollte. (Foto: dpa)
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