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Auswirkungen der Ukraine-Krise Auswirkungen der Ukraine-Krise: Sorge um Aufträge in Sachsen-Anhalt

Von Gunther Immenhoff 31.07.2014, 04:46
Blick in eine Fertigungshalle der Sangerhäuser Feag
Blick in eine Fertigungshalle der Sangerhäuser Feag maik Schumann Lizenz

Halle (Saale)/Sangerhausen/MZ - „Wir werden die Sanktionen zu spüren bekommen“, sagt Heiko Koschmieder.

Die Europäische Union hat drei enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Einreiseverboten und Kontensperrungen bestraft. Dabei handelt es sich um zwei Miteigentümer der Bank Rossiya sowie um einen früheren Judopartner Putins. Die drei gehören zu insgesamt acht Personen, die Einreiseverbote erhielten und deren Vermögen in der EU eingefroren wird. Dies wurde gestern Abend bekannt. Juri Kowaltschuk wird als langjähriger Vertrauter und größter Teilhaber der Bank Rossiya genannt. Diese habe von der Annexion der Krim stark profitiert. Auch der zweitgrößte Teilhaber der Bank, Nikolai Schamalow, steht auf der Sanktionsliste. Arkady Rotenberg, Putins Trainingspartner, ist unter Putin zu Reichtum gekommen.

Obwohl noch nicht alle Details der verschärften Sanktionen der EU-Staaten gegen Russland bekannt sind, ist sich der Geschäftsführer der Feag Sangerhausen GmbH (Fertigungscenter für Elektrische Anlagen) da sicher. „Unser Exportanteil liegt bei etwa 60 Prozent“, sagt er. Auf ein Volumen von rund vier Millionen Euro belaufe sich dabei der direkte Export nach Russland. Hinzu kämen Projekte in einer ähnlichen Größenordnung, bei denen die Feag elektrische Anlagen wie Schalter oder ganze Schaltsysteme für Großprojekte von Konzernen wie Thyssen-Krupp oder Siemens in Russland zuliefere. Das mittelständische Unternehmen setzt schon seit Jahren besonders auf den russischen Markt, hat eigens ein halbes Dutzend russischsprachiger Ukrainer im Vertrieb und im ingenieurtechnischen Bereich eingestellt, um dort punkten zu können.

Stehen Großprojekte bald vor dem Aus?

Gebraucht werden die großen Schaltanlagen aus Sangerhausen zum Beispiel beim Kraftwerksbau, in der Automobilindustrie und bei der Rohstoffgewinnung. „Ich gehe nach dem bisherigen Kenntnisstand davon aus, dass unsere Produkte zwar nicht unmittelbar auf der Sanktionsliste stehen werden“, sagt Koschmieder. Allerdings könnten Großprojekte, für die die Sangerhäuser zuliefern, in Frage gestellt werden. „Die Abkopplung der russischen Großbanken vom internationalen Geldmarkt wird zu einer Devisenknappheit führen, diese zur Drosselung von Investitionen“, erklärt er. Derzeit werde im Russlandgeschäft in Euro abgerechnet. „Sollte es künftig eine Abrechnung in Rubel geben, würden die Banken bei der Finanzierung solcher Geschäfte erhebliche Risikoaufschläge erheben“, befürchtet Koschmieder.

Auswirkungen lassen sich noch nicht abschätzen

Mit ihren Sorgen stehen die Sangerhäuser in Sachsen-Anhalt nicht allein da.

Dies zeigt ein „Konjunktur-Schlaglicht“, das die IHK Halle-Dessau am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach sanken bereits in den vergangenen Quartalen die Auftragseingänge aus Russland und den anderen GUS-Staaten auch im Vergleich mit Aufträgen aus anderen Ländern deutlich.

Im ersten Quartal 2014 meldeten die Unternehmen im Süden des Landes einen Rückgang um 19,2 Prozent zum vorangegangenen Dreimonats-Zeitraum. Im zweiten Quartal gingen die Aufträge nochmals um 13,9 Prozent zurück. Dennoch mag man bei der IHK Halle-Dessau noch nicht von einer deutlichen Eintrübungen der Unternehmenserwartungen sprechen. Es bleibe offen, inwieweit sich die Sanktionen auf die regionalen Unternehmen auswirken werden, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Brockmeier.

Wichtigster Importpartner

Die Industrie- und Handelskammer Magdeburg wird da deutlicher. Sie spricht sich klar gegen die Sanktionen aus. „Wir begrüßen alle Bemühungen, die Ukraine politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren, jedoch darf dies nicht zu Einschränkungen gegenüber Russland führen“, sagt IHK-Präsident Klaus Olbricht in Magdeburg.

Von Januar bis September 2013 hätten Unternehmen aus Sachsen-Anhalt Waren im Wert von 96 Millionen Euro in die Ukraine geliefert, nach Russland sogar im Wert von etwa 334 Millionen Euro. Zudem sei Russland Sachsen-Anhalts wichtigster Importpartner. Auch der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, warnt: Viele ostdeutsche Unternehmen haben sich auf den russischen Markt konzentriert. Deshalb verfügen sie oft über weniger Exportmärkte als Betriebe in den alten Bundesländern.“

Bei der Total-Raffinerie in Leuna, die rund 80 Prozent ihres Öls aus Russland bezieht, sieht man die Lage hingegen entspannt. „Es gibt keine Hinweise, dass es Probleme bei der Lieferung geben könnte. Die russischen Partner haben sich stets als vertragstreu und zuverlässig erwiesen“, betont Raffinerie-Sprecher Stefan Möslein. Unwägbarkeiten räumt er ein: „Auch wir können die Zukunft nicht in der Glaskugel sehen“.