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"Aufstehen" "Aufstehen": Sahra Wagenknecht startet linke Sammlungsbewegung

Von Markus Decker 05.08.2018, 17:53
Sahra Wagenknecht gehört dem Trägerverein von „Aufstehen“ nicht an
Sahra Wagenknecht gehört dem Trägerverein von „Aufstehen“ nicht an dpa

Berlin - Die von der Linksfraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht im Frühjahr angekündigte linke Sammlungsbewegung, die den Namen „Aufstehen“ tragen soll, ist am Samstag mit einer eigenen Plattform online gegangen.

Darauf wird der offizielle Start der Bewegung für den 4. September angekündigt. Unterdessen gibt es sowohl aus der Linken selbst als auch seitens der SPD und der Grünen bereits harsche Kritik an dem Projekt.

„Flaschen sammeln darf keine Lösung sein!“

Auf der Plattform sind keine politischen Erklärungen zu sehen, sondern lediglich eine Sammlung von Videos, in denen Bürger über Probleme in Deutschland und über ihre Hoffnungen sprechen. Daneben stehen zwei Slogans: „Den Bürgern muss zugehört werden!“ und „Flaschen sammeln darf keine Lösung sein!“

Es gehe ihr nicht um die Gründung einer neuen Partei, aber schon um „andere parlamentarische Mehrheiten, weil wir eine andere Regierung wollen“, sagte Wagenknecht am Samstag vor Journalisten.

Zugleich bekräftigte sie in den Zeitungen der Funke Mediengruppe ihre Absage an ein rot-rot-grünes Bündnis: „Solange die SPD an der Agenda 2010 festhält und auch die Grünen nichts wesentlich anders machen wollen als Frau Merkel, ist Rot-Rot-Grün für die Wähler kein attraktives Projekt.“

Inhaltliche Erneuerung der Politik 

Ihr Ehemann und Unterstützer Oskar Lafontaine sagte der Welt am Sonntag: „Wir verstehen uns nicht als Partei, sondern als eine Bewegung, die eine inhaltliche Erneuerung der Politik in unserem Land anstrebt.“ Die Bewegung sei bewusst überparteilich und lade alle zum Mitmachen ein, „die sich mehr soziale Gerechtigkeit und eine friedliche Außenpolitik wünschen und die für die Erhaltung unserer Umwelt eintreten“.

Die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) warb gegenüber dieser Zeitung ebenfalls für „Aufstehen“. „Man muss den Versuch machen“, sagte sie. Denn der Druck von rechten Parteien werde immer stärker; dies werde man bei den Europawahlen im kommenden Jahr wieder sehen. „Dagegen muss es einen Druck von links geben. Und man kriegt die Rechten nicht nur moralisch in die Knie. Man muss eine ganz andere Hoffnung wecken.“

Umstrittene Äußerungen Wagenknechts zur Flüchtlingspolitik

Dabei plädierte die langjährige Grünen-Parlamentarierin für eine andere Sozialpolitik, eine andere Friedenspolitik und eine andere Umweltpolitik. Sozialpolitisch müsse sich die SPD bewegen, friedenspolitisch die Grünen und umweltpolitisch die Linke. Trotzdem will sie nach eigenen Worten zwar eine außerparlamentarische Bewegung mit Drähten in alle drei Parteien hinein, jedoch keine eigene Partei und keine Wahllisten.

Mit Blick auf umstrittene Äußerungen Wagenknechts zur Flüchtlingspolitik erklärte Vollmer, man müsse stärker als bisher über Fluchtursachen sprechen wie etwa Kriege im Nahen Osten. Man müsse gleichzeitig aber auch menschliche Solidarität üben. Wörtlich sagte sie: „Es gibt keinen Grund, Leute zu diffamieren, die sich um Flüchtlinge kümmern.“

Vertreter aller drei linken Parteien äußerten Unverständnis

In den letzten Monaten waren zwei Entwürfe eines Gründungsaufrufs bekannt geworden. Der erste Entwurf war sehr flüchtlingskritisch ausgefallen und forderte zudem zur Wahrung kultureller Identität auf. Dies zielte offenbar auf AfD-nahe Wähler. Der zweite Entwurf war sichtbar entschärft. Die Flüchtlingspolitik ist nämlich nicht allein zwischen Wagenknecht und ihren Kritikern bei der Linken, der SPD und den Grünen umstritten, sondern auch unter den Initiatoren.

Unklar bleibt, welche prominenten Namen sich „Aufstehen“ anschließen werden. Neben Vollmer sprach sich der SPD-Linke Marco Bülow für das Projekt aus. Als intellektueller Spiritus Rektor gilt der Dramaturg Bernd Stegemann. Auch der Schriftsteller Ingo Schulze wird immer wieder genannt. Alles andere wird in Wagenknechts Umfeld noch geheim gehalten.

Derweil äußerten Vertreter aller drei linken Parteien Unverständnis über das Vorhaben. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst, sagte der ARD, er sehe weder in der Linken noch in den anderen Parteien eine Unterstützung dieses Weges. Das ist insofern überraschend, als Ernst einst als Gefolgsmann Lafontaines galt. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) beklagte: „Sahra Wagenknecht träumt von einem starken Linkspopulismus in Deutschland.

Das ist der falsche Weg, um die Rechtsentwicklung zu stoppen.“ Die Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, sagte dieser Zeitung: „Wir sind jederzeit bereit, in progressiven Bündnissen mitzuarbeiten. Das zeigen die erfolgreichen rot-grün-roten Koalitionen in Berlin und Thüringen. Ich habe allerdings bis heute nicht verstanden, was der Zweck dieser sogenannten Sammlungsbewegung ist, außer Sahra Wagenknecht in die Medien zu bringen.“

Während Wagenknechts Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch der Sammlungsbewegung „vielleicht eine Chance“ gibt, hielten sich die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger am Wochenende zurück. Im Karl-Liebknecht-Haus herrschen bis heute Zweifel, ob die Sammlungsbewegung zu einer ernsthaften Bedrohung für die Linke zu werden droht – oder ob es sich um eine Alibi-Veranstaltung Wagenknechts handelt, die lediglich dem Zweck dient, das eigene Scheitern zu bemänteln.