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Atomkraftwerk Krümmel Atomkraftwerk Krümmel: Vattenfall prüft Brennstäbe

05.07.2009, 17:49
Tuomo Hatakka, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Europe AG (FOTO: DPA)
Tuomo Hatakka, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Europe AG (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - VattenfallEurope kündigte am Donnerstag an, alle 80 000 Brennstäbe desabgeschalteten Meilers zu untersuchen, weil mindestens einer defektsei. Vorstandschef Tuomo Hatakka entschuldigte sich nach demKurzschluss eines Transformators am Wochenende und kündigte eineumfassende Prüfung sämtlicher Abläufe an. Er hält jedoch an demMeiler fest. «Krümmel ist sicher.» SPD-Kanzlerkandidat Frank-WalterSteinmeier verlangte dagegen die endgültige Schließung der Anlage inSchleswig-Holstein.

«Die wiederholten Pannen in Krümmel haben das Vertrauen vielerMenschen in die Atomenergie weiter erschüttert», sagte Steinmeier derDeutschen Presse-Agentur dpa. Vattenfall habe seine «Bewährungsprobe»nicht genutzt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) forderteeinen rascheren Atomausstieg für alte Meiler direkt nach derBundestagswahl. Dagegen sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauerder «Passauer Neuen Presse»: «Die Kernkraftwerke sind die bestüberwachten Anlagen in Deutschland.»

Bereits an diesem Freitag soll in Krümmel der Reaktordruckbehältergeöffnet werden, um nach dem beschädigten Brennstab zu suchen. «Wirgucken Brennstab für Brennstab an», sagte der Geschäftsführer derNuklearsparte, Ernst Michael Züfle. Von den 80 000 Stäben seienmöglicherweise «einige wenige» defekt. Ein solcher Schaden sei nichtbekanntgewesen, als das Kraftwerk vor gut zwei Wochen nachzweijähriger Pause ans Netz gegangen war. Der Hintergrund könnteeventuell ein Filterungsproblem im Wasserkreislauf sein. Mit demTrafo-Kurzschluss habe dies vermutlich nichts direkt zu tun. NachVattenfall-Angaben muss mit zwei bis drei defekten Brennstäben proJahr gerechnet werden.

«Jetzt stehen alle Prozesse, technisch und organisatorisch, aufdem Prüfstand», sagte Hatakka. Dazu sei ein interner Sonderermittlereingesetzt worden. Die Ereignisse hätten verständlicherweise zuUnruhe in der Bevölkerung geführt. «Ich kann mich dafür nurentschuldigen.» Der Fall sei ein herber Rückschlag im Bemühen um mehrVertrauen. Die Ursachen der Panne vom Wochenende sind noch nichtkomplett geklärt.

Wann Krümmel wieder ans Netz geht, ist offen. Der Austausch zweierTransformatoren soll mehrere Monate dauern. «Es ist viel zu früh,jetzt über eine Wiederanfahrt zu reden», sagte Hatakka. Ein völligesAbschalten der 26 Jahre alten Anlage stehe nicht zur Debatte. Zweifelan der Zuverlässigkeit als Betreiber wies Vattenfall zurück. «Es gibtkeinen Grund, wegen dieses Einzelfalls das Sicherheitssystem vonKrümmel infrage zu stellen.» Für Anwohner ist am Samstag inGeesthacht eine Informationsveranstaltung geplant.

Der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA),Hans Blix, kritisierte die Informationspolitik des Konzerns im FallKrümmel. «Natürlich ist es nicht akzeptabel, dass die Behörden nichtsofort unterrichtet wurden», sagte Blix der dpa. Er gehört inzwischeneinem Vattenfall-Beratergremium an. Das Unternehmen hatte eingeräumt,dass die schleswig-holsteinische Atomaufsicht erste Informationen zurAbschaltung nicht von ihm, sondern über die Polizei bekommen hatte.

Die Grünen im Bundestag wollen eine Sondersitzung desUmweltausschusses. «Es gibt starke Indizien, dass Vattenfall keinzuverlässiger Betreiber von Atomkraftwerken ist», sagte FraktionsvizeBärbel Höhn. Die Linke bekräftigte, alte Atomkraftwerke müssten vomNetz. Der aus der SPD ausgetretene Ex-BundeswirtschaftsministerWolfgang Clement hielt Gabriel im Portal «sueddeutsche.de» eine«geradezu demagogische Kampagne gegen die Kernenergie» vor.

Kritik an Vattenfall kam von der Elektroindustrie. DerGeschäftsführer des Verbands ZVEI, Klaus Mittelbach, forderte dieAtombranche zu mehr Offenheit über Risiken auf. «Insofern muss siedamit rechnen, dass sie am Ende, weil sie keine politische Akzeptanzhat, verschwinden wird in Deutschland.»

Schematische Darstellung der Funktionsweise - Das Kernkraftwerk Krümmel in Schleswig-Holstein steht wieder still. In dem Reaktor sei es zu einer automatischen Schnellabschaltung gekommen, teilte das Kieler Sozialministerium als Aufsichtsbehörde am Samstag mit. (GRAFIK: DPA)
Schematische Darstellung der Funktionsweise - Das Kernkraftwerk Krümmel in Schleswig-Holstein steht wieder still. In dem Reaktor sei es zu einer automatischen Schnellabschaltung gekommen, teilte das Kieler Sozialministerium als Aufsichtsbehörde am Samstag mit. (GRAFIK: DPA)
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