1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Ärzte und Politiker fordern: Geimpfte sollten ihre Rechte zurückbekommen

Vor Impf-Gipfel am Montagnachmittag Ärzte und Politiker fordern: Geimpfte sollten ihre Rechte zurückbekommen

Aktualisiert: 26.4.2021, 07:41
Wer nachweisen kann, dass er über den vollen Impfschutz verfügt, soll beispielsweise beim Friseur so behandelt werden wie Menschen, die einen aktuellen negativen Test vorlegen.
Wer nachweisen kann, dass er über den vollen Impfschutz verfügt, soll beispielsweise beim Friseur so behandelt werden wie Menschen, die einen aktuellen negativen Test vorlegen. Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin - Vor dem Corona-Impfgipfel von Bund und Ländern am Montagnachmittag fordern Ärzteverbände und Politiker, Geimpften ihre Grundrechte bald zurückzugeben. So sollten etwa geimpfte Pflegeheimbewohner wieder gemeinsam essen und Besuch bekommen dürfen, sagte die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, der „Rheinischen Post“. Nötig seien auch alltagstaugliche Nachweise für Bürger, die geimpft oder negativ getestet sind. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten sollten nach ihrer Ansicht an diesem Montag auch sicherstellen, dass zurückgehaltene Impfdosen freigegeben und kein Impfstoff weggeworfen wird.

Der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, forderte ebenso wie Göring-Eckardt, alle Vorräte sofort zu verbrauchen. „Es ist so hanebüchen wie inakzeptabel, dass in den Kühlschränken der Impfzentren weiterhin Millionen Impfstoffdosen ungenutzt lagern oder nicht vollständig verbraucht werden, während sich draußen tagtäglich Tausende infizieren“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Seit Wochen fordere sein Verband, den Impfstoff endlich den Hausarztpraxen zu geben - „und zwar nicht bloß in homöopathischen Dosen“.

Ende der Woche waren hierzulande rund sieben Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Knapp 23 Prozent hatten mindestens eine erste Dosis erhalten.

Impfstoffe für alle freigeben?

CSU-Chef Markus Söder regte an, deutlich mehr in der Arbeitswelt und in Familien zu impfen. „Wir brauchen Betriebsimpfungen, wir brauchen Familienimpfungen“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Grund sei, dass in Firmen und Familien eine hohe Ansteckungsgefahr herrsche. Damit müsse eine weitgehende Freigabe der Impfstoffe einhergehen, sagte Söder. Die Priorisierung nach Alters- und Berufsgruppen sowie Krankheitsbildern sei am Anfang sinnvoll gewesen, „aber jetzt entwickelt sie sich zunehmend zu einem Zeithindernis“.

Söder hatte am Wochenende konkret vorgeschlagen, schon im Mai alle Impfstoffe komplett freizugeben und auch Schüler ab 16 Jahren vermehrt zu impfen.

Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sprach sich für eine Aufhebung der Priorisierung aus. „So wichtig diese zu Beginn war, so wichtig ist es jetzt, die Breite der Bevölkerung sehr schnell zu impfen. Herdenimmunität bekommen wir nur, wenn wir nicht nur Alte und Hochbetagte impfen, sondern vor allem die Menschen mit vielen Kontakten“, sagte er der „Rheinischen Post“.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte dem „Tagesspiegel“, er halte es „für einen ehrlichen und machbaren Plan, den Mai noch im Rahmen der geltenden Priorisierung zu nutzen und ab Juni unterschiedslos zu impfen“. So kämen auch jüngere Menschen schneller zu einer Impfung, „die sich nun mal am ehesten in Gruppen treffen“.

Mehr Rechte für Geimpfte?

Zur Debatte über mehr Rechte für Geimpfte sagte Gassen: „Jemandem, der geimpft, ist, seine Grundreche weiter zu entziehen, halte ich rechtlich für sehr schwierig und medizinisch für kaum begründbar“. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Es ist selbstverständlich und zwingend, dass Menschen, die durch ihre Impfung nicht oder nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit Überträger des Virus sein können, nicht eingeschränkt werden.“

In einem Entwurf des Bundesjustizministeriums für eine Verordnung ist dazu angedacht: In Geschäften und einigen anderen Bereichen sollen Geimpfte und Genesene, die nachweislich vor nicht allzu langer Zeit eine Corona-Infektion überstanden haben, so behandelt werden wie Menschen, die einen aktuellen negativen Test vorlegen. Das betrifft etwa den Zugang zu vielen Geschäften, Kultureinrichtungen, Sport und bestimmte Dienstleistungen wie etwa einen Haarschnitt. Auch eine Quarantäne-Pflicht nach Einreise aus einem Risikogebiet würde entfallen.

Die FDP begrüßte diese Pläne. „Nachdem wir wissen, dass Geimpfte das Virus nicht übertragen können, dürfen deren Grundrechte nicht länger eingeschränkt werden“, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing der „Augsburger Allgemeinen“. „Der Staat muss gegenüber jedem Einzelnen einen Grund haben, weshalb er Freiheiten einschränkt.“

Wirtschaft für Ausstiegsfahrplan

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft erwartet vom Impfgipfel einen verbindlichen Fahrplan für den Ausstieg aus den staatlichen Corona-Beschränkungen. „Basis des Lockoffs sollte der Impffortschritt sein“, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger. „Jede weitere Woche Ungewissheit vernichtet tausende wirtschaftliche Existenzen und damit Arbeitsplätze.“ Zuvor hatte auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gefordert, Ende Mai klare Öffnungsschritte für den Sommer festzulegen.

Der Philosoph und Risikoethiker Julian Nida-Rümelin forderte ein Ende der Lockdown-Maßnahmen, sobald die Krankheitshäufigkeit und die Sterblichkeit durch das Corona-Virus vergleichbar mit den Auswirkungen einer Grippe sind. „Hält die Bundesregierung hingegen weiter an einem Modell fest, das sich ausschließlich an Inzidenzzahlen orientiert, wird es auf absehbare Zeit keine dauerhaften Lockerungen geben können“, sagte er der „Rheinischen Post“. (dpa)