Ansturm auf Wahllokale: Iran wählt Präsidenten
Teheran/dpa. - Die international mit Spannung beobachteten Präsidentschaftswahlen im Iran haben am Freitag einen dort nicht gekannten Wähleransturm ausgelöst.
Mehr als 46 Millionen Bürger waren zu einer Entscheidung darüber aufgerufen, ob der im Westen umstrittene ultrakonservative Präsident Mahmud Ahmadinedschad vier weitere Jahre im Amt bleibt oder durch einen seiner drei Herausforderer abgelöst wird.
Die Öffnungszeiten der Wahllokale mussten mehrmals verlängert werden, um dem Andrang der Wähler Herr zu werden. Sie schlossen nicht vor 21.30 Uhr MESZ. Das Innenministerium prognostizierte eine Wahlbeteiligung von deutlich mehr als 70 Prozent.
Es wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Amtsinhaber Ahmadinedschad mit dem reformorientierten früheren Ministerpräsident Mir Hussein Mussawi erwartet. Mussawi steht für einen Neuanfang nicht zuletzt im schlechten Verhältnis zu den USA. Im Wahlkampf war mehrmals Mussawis Ehefrau öffentlich aufgetreten. Damit hatte er im streng islamischen Iran vor allem bei den reformorientierten Frauen gepunktet. Ergebnisse wurden am Samstag erwartet. Falls keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hat, müssen die beiden Erstplatzierten am Freitag in einer Woche zu einer Stichwahl antreten.
Ein polarisierender Wahlkampf mit teils hitzig geführten Fernsehdebatten hatte zu einer großen Mobilisierung der Wähler geführt. Insgesamt traten vier Kandidaten an. Die anderen beiden Bewerber waren der frühere Parlamentspräsident Mehdi Karrubi sowie Mohsen Rezai, ein Ahmadinedschad-Kritiker aus dem konservativen Lager.
In vielen Wahllokalen gingen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA schon am Mittag die Stimmzettel aus. In kleineren Dörfern gaben nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars bis zu 90 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. «Wir hatten nicht einmal eine Minute um Tee zu trinken», berichtete ein Wahlhelfer in Teheran. Berichte über Unregelmäßigkeiten gab es bis zum Nachmittag nicht.
Herausforderer Mussawi beklagte jedoch, dass der Mobilfunkverkehr nicht funktionierte. Vor allem seine zahlreichen Anhänger aus jüngeren Wählerschichten hatten sich über Textnachrichten verständigt. Auch seien seinen Mitarbeitern Kontrollen der Wahlbüros verwehrt worden seien, sagte der Kandidat. Das Kommunikationsministerium räumte technische Probleme ein. Mussawi kündigte an, er werde - wie auch seine Gegenkandidaten - nicht schlafen, bis das Wahlergebnis feststehe.
Nach Einschätzung von Beobachtern waren durch den direkten verbalen Schlagabtausch zwischen den Hauptkonkurrenten und ihren Anhängern in der letzten Woche des Wahlkampfes vor allem junge Menschen mobilisiert worden. Die Nachrichtenagentur ILNA berichtete. auch viele bisherige Nichtwähler hätten ihre Stimme abgegeben. In iranischen Personalausweisen wird jede Stimmabgabe registriert.
Im Wahlkampf hatten die reformorientierten Kräfte Ahmadinedschad vorgeworfen, das Land durch seine kompromisslose Linie international isoliert und die Wirtschaft ruiniert zu haben. Der Präsident setzte dagegen, er habe dem Land «seinen Stolz und seine Würde» zurückgeben. Die internationale Gemeinschaft verdächtigt die Islamische Republik seit langem, heimlich am Bau der Atombombe zu arbeiten. Der Westen hat deswegen mehrfach Sanktionen gegen den Iran durchgesetzt. Daher verfolgten Europa und die USA sowie Israel die Wahl am Freitag äußerst aufmerksam und hofften auf einen Wechsel.
Der frühere Präsident und scharfe Ahmadinedschad-Kritiker Akbar Haschemi Rafsandschani sprach sogar von einer Schicksalswahl. «Diese Wahl ist eine der wichtigsten in der Geschichte des Landes und wird definitiv die künftige Rolle des Irans in der Welt wesentlich beeinflussen», sagte der moderate Kleriker, der Mussawi unterstützt. «Jede einzelne Stimme zählt!».
Bei seiner Stimmabgabe in einer Moschee in Teheran erklärte Mussawi am Freitag: «Der Wählerenthusiasmus zeigt den Wunsch nach einem Wandel im Iran.» Der 67-Jährige, der sich als Regierungschef während des Iran-Irak-Krieges (1980-1988) durch seine wirtschaftspolitische Kompetenz einen Namen gemacht hatte, ist nach 20 Jahren wieder in die Politik zurückgekehrt. Ahmadinedschad erklärte dagegen bei der Stimmabgabe, die hohe Wahlbeteiligung sei Ausdruck des Wunsches, auf dem Weg des «Stolzes, Fortschritts und Wohlstands» weiterzumachen.